Kein Blick zurueck
Frank Essen, das er nicht isst. Im Laufe des Nachmittags taucht Onkel Enos auf, um ihm zu sagen, dass es in Ordnung ist, Mamah im Familiengrab in der Nähe der Lloyd-Jones-Gruft zu bestatten. Frank sieht den alten Enos an, der ebenso runzlig und altersgrau aussieht wie sein Großvater kurz vor seinem Tod. Er denkt an die Generationen, die diese Hügel zu heiliger Familienerde gemacht haben. Für den familienbewussten alten Mann ist es ein Akt der Zuneigung und Großzügigkeit, zu erlauben, dass eine Außenstehende auf dem Familienfriedhof beigesetzt wird.
»Danke«, sagt Frank.
Er sieht zu, wie Danny und die anderen letzte Hand an den beiden Kiefernsärgen anlegen, einen für sie, einen für die Kinder. Als sie ihre Arbeit beendet haben, fahren er und sein Sohn John in einem Laster zurück nach Tan-Y-Deri und bleiben draußen stehen, als die Männer den kleinen Sarg ins Wohnzimmer tragen. Ein Wagen steht bereit, um Edwin und die sterblichen Überreste seiner Kinder nach Spring Green zu bringen.
Edwin kommt im selben Anzug wie am Vortag aus dem Haus, seine Augen sind rot und geschwollen. Sie alle warten schweigend, bis der kleine Sarg in den Wagen geladen ist. Dann wendet er sich an Frank und hält ihm die Hand hin. Frank ergreift sie mit beiden Händen. Die beiden Männer stehen lange so beieinander. Frank möchte sagen, Sie waren wunderbare Kinder. Auch ich habe sie geliebt . Doch in denOhren des anderen Mannes hätten solche Worte aus seinem Mund vermutlich profan geklungen.
»Auf Wiedersehen, Frank«, sagt Edwin schließlich.
»Auf Wiedersehen, Ed.«
Sie sehen einander noch einmal in die Augen, und dann ist er fort.
Als die Handwerker den größeren Kiefernsarg in Jennies Haus tragen, gehen Frank und John ihnen nach. Vater und Sohn heben Mamahs verkohlten und misshandelten Körper sachte hinein.
»Wir treffen uns am Haus«, sagt Frank zu John.
Er kehrt zu Fuß nach Taliesin zurück, ihm ist übel, und er zittert am ganzen Körper, aber er versucht, sich zusammenzunehmen. Er will vor seinem guten, tapferen Sohn nicht noch einmal zusammenbrechen. Vor ihm auf dem Hügel wird drohend wie ein Spiegelbild seines eigenen Herzens das schwarze Loch sichtbar.
Nur das Studio ist übrig geblieben, und der Stall. Im Stall bittet er einen seiner Cousins, Darby und Joan anzuspannen, dann nimmt er eine Sichel und geht in Mamahs Garten. Der ist unglaublicherweise von der Zerstörung so gut wie verschont geblieben. Einige ihrer Rosen sind gerade aufgeblüht.
Er sinkt zwischen den Blumen auf die Knie und spricht im Stillen mit ihr und wartet darauf, dass ihre Stimme ihm antwortet. Ihr Geist weilt jedoch nicht an diesem Ort, nicht einmal in ihrem Garten. Er hockt sich auf die Fersen und schnuppert den Duft eines halben Dutzends verschiedener Pflanzen und versucht, darin ein wenig Trost zu finden.
Nach einiger Zeit schwingt er die Sichel und schneidet die Blumen, die sie am liebsten mochte. John öffnet den Kiefernsarg, damit sein Vater ihre Leiche mit Stockrosen, Rosen,Sonnenblumen und Zinien bedecken kann. Dann schließt er ihn, und sie laden den Sarg auf den Wagen und werfen Arme voll Phlox und Margeriten auf das Wagenbett.
Als sie bereit sind, zum Friedhof und zur Gruft zu fahren, ist es Abend. Aus den Gewitterwolken, die sich über ihren Köpfen zusammenziehen, fallen schwere Tropfen auf Frank und John herab, während sie neben dem Wagen hergehen und die Rotfüchse führen. Auf dem Friedhof werden sie von zwei von Franks Cousins erwartet, die ihnen helfen werden, den Sarg in die frisch ausgehobene Erde zu senken. Der Sarg ist überraschend schwer. Die Luft ist erfüllt von ihrem Ächzen und dem Geräusch des Seils, das gegen das Holz schabt. Als der Sarg auf dem Grund angekommen ist, werfen Vater und Sohn Blumen darüber, bis er davon bedeckt und die ganze Grube mit gelben, blauen und roten Blütenblättern gefüllt ist. Dann bittet Frank die anderen, ihn allein zu lassen.
Er steht am offenen Grab und spricht zu ihr. »Du hast alles so tapfer durchgestanden, meine Freundin.« Sie hatten so oft über ihren Geist und ihre Seelen gesprochen, als wären es greifbare Dinge. Er spürt ihre Gegenwart nicht, spricht aber dennoch weiter. »Du warst eine so gute Frau, Mamah«, sagt er. »Die Beste der Welt.«
Ehe es vollständig dunkel wird, zieht er eine handschriftliche Kopie des Goetheaufsatzes aus der Tasche, den sie zusammen übersetzt haben. Einige Zeilen davon kann er auswendig, und den Rest liest er ab.
Natur! Wir
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