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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
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Verlockungen der Anzeige verraten. Ihr fiel der Slogan einer anderen ein, die sie gesehen hatte: Colorado gebiert neue Männer. Mit dem Verlassen Chicagos verband sich für sie die stille Hoffnung, dass Colorado auf Frauen dieselbe Wirkung hätte.
    Der Zug fuhr schaukelnd weiter, und die Kinder verschliefen die Ödnis der Great Plains. Auch Mamah hatte als Kind im Zug so geschlafen; das Rumpeln und Klackern und Schwanken des Schlafwagens war ihr wie raue Musik vorgekommen. Nun hielt es sie wach. Mamah dachte daran, noch einmal neu anzufangen, die Reise am nächsten Morgenneu zu beginnen. Sie stellte sich für sie alle ein herzhaftes Frühstück vor und fiel endlich in einen betäubten, schwarzen Schlaf.
Kapitel 10
    In Denver stiegen sie von der Rock-Island-Linie um in den Zug der Union Pacific nach Boulder.
    »Sind wir beinahe da, wo wir sind?«, fragte Martha verloren, als sie in den Zug stiegen.
    »Oh, ganz nah«, sagte Mamah und hob sie die Stufen hinauf.
    Sie und die Kinder fühlten sich geborgen in den breiten Plüschsitzen des brandneuen, torpedoförmigen Wagens. Martha willigte ein, die Toilette zu benutzen. John öffnete eines der ovalen Fenster und saß mit windgepeitschten Haaren lächelnd auf seinem Sitz.
    Im Bahnhof von Boulder liefen zahlreiche Menschen auf dem Bahnsteig durcheinander. Mamah war sich nicht sicher, ob sie Alden Brown erkennen würde. Sie hatte ihn sieben Jahre nicht gesehen – seit seiner Hochzeit mit Mattie nicht mehr. Plötzlich stieß ein Mann in einem geschmackvollen Anzug und mit einem kleinen Spitzbärtchen einen Schrei aus wie ein Eselstreiber und zerquetschte sie beinahe in seiner Umarmung.
    »Ihr seid nicht die einzigen Berühmtheiten, die heute hier ankommen«, sagte Alden zu Mamah, als sie sich einen Weg durch die Menge bahnten. Er hob Martha hoch und setzte sie auf seine Schultern. »Auch Reverend Billy Sunday sollte jeden Augenblick hier eintreffen.« Er zwinkerte. »Sollen wir solange warten?«
    Mamah lachte. »Ganz und gar nicht.«
    Vor dem Bahnhof stapelte er ihr Gepäck in sein Auto. Mamah beobachtete Alden, während er vom Bahnhof aus bergan fuhr. Er glich eher einem Bankier als einem Bergbauingenieur, dachte sie.
    Es hatte eine Zeit gegeben, als Mamah Mattie für verrückt erklärt hatte, einen jüngeren, ganz unpassenden Mann zu heiraten. Alden Brown war es eher gewohnt, in der Nähe seiner jeweiligen Minenprojekte in Zehnerbaracken in Schluchten zu hausen, als in einer Stadt mit gepflasterten Straßen und einem Postamt zu leben. Mattie hatte in Paris und New York gelebt; sie liebte das Theater. Sie war zweiunddreißig gewesen, als sie ihn geheiratet hatte, alt genug, um es besser zu wissen. Wie um alles in der Welt sollte sie mit so einem Mann ihr Leben bestreiten?
    Vor ein paar Jahren hatte Mattie Mamah ein Bild von sich und ihrem frischgebackenen Ehemann vor ihrem Haus in Boulder geschickt. Es war ein hübscher, verschalter Bungalow mit Schindeldach in der Nachbarschaft anderer schöner, neuer Häuser. Das Foto hatte Mamahs Ängste zerstreut. Jetzt fuhren sie vor genau diesem Haus in der Mapleton Street vor. Zwei flachsköpfige Kinder, ein Junge und ein Mädchen, sprangen von der Veranda und kamen auf den Bordstein zugerannt.
    »Mattie ist oben«, sagte Alden. »Sie hat ärztlichen Befehl, sich nachmittags auszuruhen.« Er entlud die Gepäckstücke. »Geh schnell hinauf. Sie ist ganz aufgeregt.«
    Mamah sprang die Treppe hinauf und fand ihre Freundin aufrecht im Bett sitzend, ein einfältiges Grinsen auf dem Gesicht. Sie strich sich mit den Händen über den Bauch und warf sie dann in einer »Was-soll-ich-sagen?«-Geste die Luft. »Mattie«, sagte Mamah, als sie ihre Freundin sah. »Du siehst…«
    »… aus wie Lukretia nach der Vergewaltigung?«
    »Nun, du fängst tatsächlich an zu… reifen.«
    Mattie lehnte sich bekümmert in die Kissen zurück.
    »Arme Mattie.« Mamahs Brauen zogen sich mitleidig zusammen. Dann merkte sie, wie ihr ein kleines, schnaubendes Lachen entschlüpfte, und einen Augenblick später liefen ihnen beiden vor Lachen die Tränen über die Wangen. »Pass auf, dass ich nicht ins Bett mache«, rief Mattie.
    »Also gut, dann kommen wir zum Geschäftlichen. Ich habe dir Medizin mitgebracht.« Mamah wühlte in ihrer Tasche und zog eine Schachtel Schokolade heraus.
    »Wie hast du das angestellt?«
    »Nun, den Schaffner zu überreden, sie auf Eis zu legen, war noch das Einfachste. Aber hast du eine Ahnung, wie oft ich diese Schokolade um ein Haar

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