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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
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als Bestechung benutzt hätte, um den Frieden zu wahren?«
    Die Tür knarrte, und Matties Sohn Linden streckte den Kopf herein.
    »Komm herein, Liebling«, sagte Mattie.
    Linden kam auf Zehenspitzen ins Zimmer, gefolgt von seiner Schwester Anne, von John und Martha.
    Mamah hob ihre Tochter auf ihren Schoß. »Darf ich dir deine Namensvetterin vorstellen, Mattie? Miss Martha Cheney.«
    Mattie strahlte. »Wie alt bist du?«
    »Drei«, sagte Martha. Ihr dunkles Haar war vorne und an den Seiten mit einem weißen Band hochgebunden.
    »Nun, dann bist du schon groß. Und siehst deiner Mutter ähnlicher als sie selbst, Kind.«
    »Die Natur hat hier etwas ausgeglichen«, sagte Mamah. »Ich ziehe mich selber groß.«
    »Und du, junger Mann, bist das Ebenbild deines Vaters.« »Ich weiß«, sagte John.
    »Dann kannst du Schokolade gar nicht leiden.«
    »Doch.« John riss die Augen auf. »Ich mag sie sehr.«
    »Ah, dann steckt doch ein wenig von deiner Mutter in dir.« Mattie öffnete die Schachtel, schwang die Beine aus dem Bett und stand auf, um die Schachtel mit der angeschmolzenen Schokolade herumgehen zu lassen. Nachdem sich alle ein Stück genommen hatten, sank Mattie neben dem Bett auf einen Sessel. »Keine Jessica auf dieser Reise?«
    »Sie ist ein paar Wochen bei den Eltern ihres Vaters.«
    »Linden, möchtest du John und Martha zeigen, wo sie heute Nacht schlafen?«
    Als die Kinder aus dem Zimmer rannten, griff Mamah erneut in ihre Tasche und zauberte ein Buch hervor. »Noch mehr Medizin«, sagte sie. »Ich habe es wegen des Titels gekauft – Der Einsiedler und die unbändige Frau. Es hat mich an dich erinnert.«
    »Du warst die Unbändige, soweit ich mich erinnere. Macht mich das zum Einsiedler?«
    Mattie nahm das Buch in die Hand. »Kurzgeschichten… perfekt. Ich habe die Konzentration eines Flohs.«
    »Ich werde sie dir vorlesen.«
    »Oh, Mamah. Ob du es glaubst oder nicht, aber lesen kann ich noch.«
    »Ich bin gekommen, um dir zu helfen.«
    »Ich weiß. Und das wirst du auch, schon allein dadurch, dass du hier bist. Ich bin nicht krank – wir können spazieren gehen. Aber ich schlafe viel. Du wirst Ablenkung brauchen.«
    »Ich dachte, ich könnte in den Bergen wandern gehen.«
    »Es gibt hier unendlich viel zu unternehmen. Ich möchte, dass du aus dem Haus gehst und herumkommst. Meine Kinderfrau kann auf die Kinder aufpassen.«
    Als Mamah am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war sie erleichtert, sich allein in Matties und Aldens Gästezimmer wiederzufinden. Der Raum war ganz in Weiß gehalten – Wände, Stoffe, die gestrichenen Möbel. Die einzige Farbe kam durch das Fenster gegenüber Mamahs Bett, das Braun der zerklüfteten Flatiron-Berge.
    Sie stellte fest, dass sie sich inmitten dieser Berge heimisch fühlte. Die Steigungen und Gefälle entsprachen ihrer inneren Landschaft, im Guten wie im Schlechten. Unmittelbar hinter dem Grat schien ein Versprechen zu liegen, von dem sie sich angesprochen fühlte. Es war so anders als die flachen Prärien Illinois’ und Iowas, wo bis zum Horizont alles mehr oder weniger auf den ersten Blick erkennbar war. Nach dem ersten Tag ihres Aufenthalts stellte sich heraus, dass das Leben in Boulder genauso war, wie sie es sich erhofft hatte. Matties Kinder standen vom Alter her Martha näher, doch John spielte mit ihnen, als wäre er ebenfalls drei statt sieben Jahre alt. Als Mamah Aldens Wagen davonfahren hörte, ging sie nach unten.
    Es spielte keine Rolle, wo Mattie lebte, überlegte Mamah, in einem möblierten Zimmer oder in einem schönen Haus. Sie hatte eine Fähigkeit, irgendwo einen Farn hinzustellen oder ihre Landschaftsbilder aufzuhängen und damit Gemütlichkeit zu schaffen, um die Mamah sie beneidete.
    Auf dem Treppenabsatz blieb sie stehen und betrachtete zwei Fotografien, die sie tags zuvor übersehen hatte. Es waren unheimliche Aufnahmen, die beim ersten Hinsehen wie schwarz-weiße Gemälde wirkten. Auf dem einen ging von einem hellen, schneebedeckten Berg ein unirdisches Leuchten aus, das in Kontrast stand zu einem tief verschatteten Vordergrund, auf dem kaum erkennbar ein Esel graste. Mamah nahm das Foto mit nach unten ins Esszimmer. »Erklär mir das.«
    »Nicht einmal ein Hallo?« Mattie aß gerade einen Toast, das blonde Haar aus dem sommersprossigen Gesicht zurückgebunden. So war es immer zwischen ihnen, der Faden eines jahrealten Gesprächs, den sie niemals hatten fallenlassen, wurde mühelos wieder aufgenommen. Die richtigen Gespräche hoben sie

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