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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
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Pullman-Züge.
    Von frühester Jugend an hatte sie verstanden, dass ihr Vater solide und verlässlich war. Er hatte diese Eigenschaften hochgehalten und sie auch in Edwin erkannt, als dieser ins Haus gekommen war. Ed und ihr Vater waren einander nicht nur Familienmitglieder gewesen, sondern gute Freunde. Was würde Marcus Borthwick wohl von all den Schwierigkeiten halten, wenn er noch am Leben wäre?
    In diesem Moment blitzte vor ihrem inneren Auge ein Bild von Lizzie und dem verlassenen Edwin auf, die in dem leeren Haus auf der East Avenue hin- und hergingen. Werden sie trotzdem zusammen essen?
    Als sie merkte, dass ihr die Tränen kamen, lenkte sie ihre Gedanken wieder dorthin, wo sie gerade verweilt hatten, jenen Ort, an dem sie wieder zwölf Jahre alt war, die Schule hinter sich hatte und, den Geruch des Weizens in der Nase, in einem Zug auf einem Fensterplatz saß. Damals vermochte das Pfeifsignal eines Zuges ihren Puls noch höher schlagen zu lassen. Es verhieß Fremde mit ihren Geschichten und ein brutzelndes Steak auf schwerem, weißem Porzellan im Speisewagen. Heute genügte es, dass das Pfeifsignal sie von dem Chaos ablenkte, das sie in Oak Park zurückgelassen hatte.
    Sie erinnerte sich an die Reklame der Rock-Island-Linie, die ihr am Morgen nach dem Erhalt von Matties Brief ins Auge gesprungen war. Eine Illustration, in der eine junge Frau, das Kinn auf die Hand gestützt, gedankenverloren dasaß und durch ein Zugfenster auf Berge und dicke, weiße Wolken hinausblickte.
    Ferien in den Great Plains des Kontinents, hatte es in der Anzeige geheißen. Der Preis wird durch die guten Ideen wettgemacht, die Ihnen dann einfallen werden, und durch die zusätzliche Kraft,die Ihnen für den Rest des Jahres zur Verfügung steht. Draußen sah Mamah einen Stand gelber Birken, die von der späten Nachmittagssonne zum Leuchten gebracht wurden. Wenn jemals jemand eine gute Idee nötig hatte, dachte sie, dann bin ich es.
    Martha schaffte es immer noch nicht stillzusitzen und weigerte sich, ein Schläfchen zu machen. John zog ein Stück Schnur aus der Tasche und hielt sie mit einem Fadenspiel bei Laune. Als sie müde wurde, dachte sie sich ihre eigenen Spiele aus. Sie begann John anzustupsen, bis er aufstand. Er verdrehte die Augen.
    Dann stieß Martha gegen Mamahs Beine. »Geh weg, Mama«, insistierte sie. »Du weggehen.«
    »Nein, ich gehe nicht weg, Martha«, sagte Mamah. »Diese Sitze sind für uns alle da.«
    »Du weggehen!« Martha schrie jetzt.
    Mamah saß stoisch da, während die Dreijährige sich gegen die Beine ihrer Mutter warf und sich dann in ihrem gelben Kleid heulend auf dem Fußboden wälzte.
    »John«, flüsterte Mamah ihrem Sohn ins Ohr, »lass sie einfach. Sie wird müde werden, und dann ist es vorbei.«
    John lächelte und freute sich, der gute Junge zu sein.
    Martha heulte weiter, bis ihr kleiner Körper von trockenen Schluchzern geschüttelt wurde.
    »Möchtest du heraufkommen, Martha?«, fragte Mamah.
    Daraufhin krabbelte sie auf den Sitz und legte ihren Kopf in den Schoß ihrer Mutter. Mamah schloss die brennenden Augen.
    Als Martha aufwachte, ging Mamah mit den Kindern nach vorne zur Lokomotive, wo der Lokführer ihnen zuliebe das Pfeifsignal ertönen ließ. Beim Abendessen klagte Martha über Bauchschmerzen und fing wieder an zu weinen. Mamahzog sich mit ihr in ihren Wagen zurück, während John mit einem Jungen seines Alters am Abendbrottisch weiter Tic Tac Toe spielte.
    In ihrem Schlafabteil heulte Martha vor Schmerzen. Mamah durchforschte ihr Gedächtnis und versuchte, sich an die letzten Stunden zu Hause zu erinnern. War sie vor der Abfahrt auf der Toilette gewesen? Mamah hatte nicht darauf geachtet. Einzig Louise würde das wissen, denn Martha sagte nichts. Mamah trug sie zum Toilettenabteil. Die Tür klappte mit dem Schwanken des Zuges auf und zu. Martha warf einen Blick auf das dunkle, stinkende Loch in der Mitte des hölzernen Sitzes und heulte los.
    Was würde Louise unternehmen?
    »Danach fühlst du dich besser, Liebes«, sagte Mamah, ging in die Hocke und sicherte mit einem Fuß die Tür, während sie Martha festhielt, damit sie nicht hineinfiel, wie sie befürchtete. Sie drückte nicht einmal.
    »Ich gebe dir etwas Süßes. Würde dir das gefallen?«
    Martha schrie nur noch lauter und hielt entsetzt zurück. Als ihre Schreie in ein Wimmern übergingen, gab Mamah es auf und brachte sie wieder ins Bett.
    Als sie schließlich Nebraska erreichten, fühlte Mamah sich von den romantischen

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