Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
Vom Netzwerk:
Wechseljahren?«
    »Nein!«
    »Nun, du führst dich aber ganz so auf. Frauen handeln manchmal unvernünftig. Man hat in der Zeitung schon diese Geschichten gelesen, in denen eine Frau ihre Familie verlässt, um Missionarin zu werden, oder in einem Wutanfall ihren Mann erschießt.«
    »An beides denke ich nicht.«
    Mattie verfiel in Schweigen.
    »Die Menschen lassen sich heutzutage eher scheiden«, sagte Mamah nach einer Weile. »Es ist nicht unmöglich.«
    »Nein, das ist es nicht. Aber wenn du deine Möglichkeiten jetzt für eingeschränkt hältst, dann stell dir einmal vor, wie es ist, geschieden zu sein. Und falls alles nach deinem Kopf geht, wer kann schon sagen, ob du ihn heute in einem Jahr immer noch liebst? Du könntest jämmerlich enden, ohne deine Kinder.«
    »Manche Frauen bekommen die Kinder, wenn sie sich scheiden lassen. Edwin ist jetzt wütend, aber nach einer gewissen Zeit…«
    Mattie schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Sielegte Mamah die Hände auf die Schultern. »Bleibe lange genug auf Abstand, um dir die Sache anzusehen. Geh spazieren. Unternimm etwas dort draußen. In ein paar Wochen wirst du dir selbst sagen: ›Was in aller Welt habe ich mir bloß dabei gedacht?‹«
    »Aber ich liebe Edwin nicht.«
    »Und wie steht es mit der Pflicht? Und mit Ehre?« Mattie rüttelte Mamah an den Schultern. »Ich weiß nicht. Ich würde nicht zwei Familien auseinanderbringen wollen, Mame. Du könntest mit dir selbst nicht mehr leben.«
Kapitel 12
    Nach einer Woche bei den Browns zog Mamah mit den Kindern in eine Pension, die von der Organistin aus Matties Kirche geführt wurde. Das kleine Mansardenzimmer in dem aus Backsteinen und Schindeln erbauten Haus war beengt, und der Ausblick auf die Berge bestand nur noch aus einem schmalen Streifen. Ihr gefiel es dennoch. Es lag auf der Ecke gegenüber der Pine Street und der Carnegie-Bibliothek, nur drei Straßen von Mattie entfernt und einen kurzen Fußweg von den Geschäften auf der Pearl Street.
    Marie Brigham war Witwe, eine grobgliedrige, einfache Frau mit einem Netz roter Äderchen, das sich über ihren Nasenrücken und über ihre Wangen zog. Sie war der klassische Typ einer Pensionswirtin – eine Überlebenskämpferin. Mrs. Brigham erledigte ihre Arbeit mit fröhlicher Nüchternheit, wechselte Bettlaken und bereitete das Frühstück zu, als hätte sie sich das so ausgesucht, nicht als handle es sich dabei um das einzige Gewerbe, das einer Witwe offenstand.
    Jeden Morgen gab es ab sieben Uhr guten schwarzen Kaffee, und an den meisten Tagen saßen Mamah und die Kinder um diese Zeit bereits am Küchentisch.
    »Der Sommer ist das Beste in Boulder. Gar keine Frage.« Marie Brigham wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. »Da gibt es die jährliche Fahrt über die Schweizer-Trasse nach Ward.« Sie zwinkerte John zu. »Der Zug hält immer wieder an, damit du Schneebälle werfen kannst.«
    »Können wir das machen?«, fragte er.
    »Ja, was glaubst denn du?«, sagte Mamah.
    »In zwei Wochen kommt der Zirkus. Die Schule veranstaltet ein Sommerprogramm. Und Clara Savory liest in der Bibliothek jeden Tag eine Stunde lang eine Geschichte vor. Die Kinder können praktisch…«
    Marie sprach nicht alle ihre Sätze zu Ende. Sie griff über die Gasflammen hinweg und nahm eine eiserne Pfanne vom Haken und summte ein wenig dabei.
    »Auf eines müssen Sie in Boulder allerdings achten«, sagte Marie eine Minute später. »Hier gibt es überall Tuberkulosekranke. Sie kommen wegen der frischen Luft, bringen aber die Schwindsucht mit. Die Leute in Boulder tun gerne so, als wäre das kein Problem. Ist schlecht für’s Geschäft, wissen Sie. Aber ich warne meine Gäste.« Sie gab dicke Schinkenstreifen in die Pfanne. »Sie können sich schon infizieren, wenn sie nur mit den Schuhen in ihre Spucke treten.«
    John, der Besorgte, beugte sich vor, um seine Sohlen zu untersuchen.
    »Das ist der Grund, warum alle, die hier wohnen«, sagte Marie, »ihre Schuhe auf der Veranda stehen lassen müssen.« Mamah und die Kinder hatten sich dieser Politik angepasst. Mamah war erleichtert, nicht mehr in Oak Park zu sein, selbst wenn sie von Kranken umgeben war. Morgens spazierten sie über die mit Steinplatten belegten Bürgersteigeund erkundeten die Stadt und achteten darauf, wo sie hintraten. Das helle, sommerliche Licht in Colorado fühlte sich tatsächlich gesundheitsfördernd an. Sie dachte an die Straßen zu Hause, auf denen die Arbeiter um diese Jahreszeit wie jeden Sommer Öl

Weitere Kostenlose Bücher