Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
hätte vorher anrufen sollen.«
    »Komm rein. Stimmt was nicht?«
    Bosch betrat das Haus und sah sich um. Er beantwortete die Frage nicht.
    Das Wohnzimmer hatte unübersehbaren Beach-Charakter, bis zu den Bambus- und Rattanmöbeln und dem Surfboard, das in der Ecke lehnte. Der einzige Stilbruch waren ihr Ausrüstungsgürtel und das Holster, die an der Garderobe am Eingang hingen. Es war ein Anfängerfehler, sie so offen zu zeigen, aber Bosch nahm an, sie war stolz auf ihre neue Berufswahl und wollte ihre Nicht-Polizisten-Freunde daran erinnern.
    »Setz dich doch«, sagte sie. »Ich habe eine Flasche Wein offen. Willst du ein Glas?«
    Bosch überlegte kurz, ob er am nächsten Tag, an dem er voll bei der Sache sein musste, Kopfschmerzen bekäme, wenn er jetzt auf das Bier, das er sich eine Stunde zuvor genehmigt hatte, ein Glas Wein tränke.
    »Es ist roter.«
    »Mhm, aber nur einen kleinen Schluck.«
    »Musst wohl morgen einen klaren Kopf haben, wie?«
    »Schon, ja.«
    Sie ging in die Küche, und er setzte sich auf die Couch. Er blickte sich im Wohnzimmer um und sah erst jetzt den ausgestopften Fisch mit der langen spitzen Nase, der über dem weißen gemauerten Kamin hing. Der Fisch war von einem leuchtenden, ins Schwarze changierenden Blau und hatte einen weißen und gelben Bauch. Präparierte Fische störten ihn nicht so wie die Köpfe ausgestopfter Vierbeiner, aber trotzdem war es ihm unangenehm, dass ihn das Auge des Fisches ständig beobachtete.
    »Hast du das Teil da selbst gefangen?«, rief er in die Küche.
    »Ja. In Cabo. Hab ganze dreieinhalb Stunden gebraucht, um ihn schließlich an Bord zu ziehen.«
    Kurz darauf erschien sie mit zwei Gläsern Wein.
    »Mit einer Zwanzig-Kilo-Schnur«, fügte sie hinzu. »Das war vielleicht eine Schinderei.«
    »Was ist das für ein Fisch?«
    »Ein Schwarzer Marlin.«
    Sie prostete erst dem Fisch zu, dann Bosch.
    »Halt fest.«
    Bosch sah sie an.
    »Das ist mein neuer Trinkspruch«, sagte sie. »Halt fest. Irgendwie, finde ich, passt das zu allem.«
    Sie setzte sich in den Sessel, der Bosch am nächsten stand. Hinter ihr war das Surfbrett. Es war weiß mit einem regenbogenfarbigen Rand. Es war ein Short Board.
    »Dann surfst du also auch so richtig wilde Wellen.«
    Sie blickte sich nach dem Board um, dann sah sie wieder Bosch an und lächelte.
    »Zumindest versuche ich es. Ich habe in Hawaii damit angefangen.«
    »Kennst du John Burrows?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »In Hawaii gibt’s massenhaft Surfer. An welchem Strand surft er?«
    »Nein, ich meine hier. Ein Cop. Vom Morddezernat, in der Pacific Division. Wohnt in einer Fußgängerstraße am Strand. Gar nicht weit von hier. Er surft. Auf seinem Brett steht ›To Protect and Surf‹.«
    Sie lachte.
    »Geil. Finde ich witzig. Das muss ich mir auch auf mein Brett schreiben lassen.«
    Bosch nickte.
    »John Burrows, hm? Bei dem muss ich wohl mal vorbeischauen.«
    Das sagte sie mit einem ganz leicht neckischen Unterton.
    Bosch lächelte und sagte: »Lieber nicht.«
    Es gefiel ihm, wie sie ihn aufzog. Überhaupt hatte er auch generell ein gutes Gefühl, weshalb er sich wegen des eigentlichen Grunds seines Besuchs etwas komisch vorkam. Er blickte auf sein Weinglas.
    »Ich habe den ganzen Tag geangelt und nichts gefangen«, sagte er. »Hauptsächlich Mikrofiche.«
    »Ich habe dich heute Abend in den Nachrichten gesehen«, sagte sie. »Willst du dieser Type, diesem Kinderschänder, die Daumenschrauben anlegen?«
    Um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, nahm Bosch einen Schluck Wein. Jetzt bewegte er sich auf dünnem Eis.
    »Wie meinst du das?«, fragte er.
    »Na, weil du doch dieser Reporterin von seiner kriminellen Vergangenheit erzählt hast. Das konnte ich mir eigentlich nur so erklären, dass du irgendein Spiel mit ihm spielst. Du weißt schon, ihn unter Druck setzen. Damit er redet oder irgendwas in der Richtung. Kommt mir aber ziemlich riskant vor.«
    »Wieso?«
    »Zuallererst, einem Journalisten zu vertrauen ist immer riskant. Das weiß ich noch aus meiner Zeit als Anwältin, da habe ich mir ganz schön die Finger verbrannt. Und zweitens … zweitens weiß man vorher nie, wie jemand reagiert, wenn sein Geheimnis kein Geheimnis mehr ist.«
    Bosch sah sie kurz prüfend an und schüttelte dann den Kopf.
    »Ich habe es ihr nicht erzählt«, sagte er. »Das war jemand anders.«
    Er beobachtete ihre Augen, ob sie irgendetwas verrieten. Da war nichts.
    »Es wird deswegen ziemlichen Ärger geben«, fügte er hinzu.
    Sie zog

Weitere Kostenlose Bücher