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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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hatte, auf den er scharf war. Deswegen haben sie mich ihm dann weggenommen.«
    »Weißt du, das ist wirklich bitter, aber wir reden hier über Arthur Delacroix. Hat er dir mal erzählt, dass ihn sein Vater geschlagen hat?«
    »Das war nicht nötig. Ich konnte die blauen Flecken sehen. Der Typ hatte immer ein Veilchen, soviel ich mich erinnere.«
    »Das hatte er vom Skateboarden. Er ist oft gestürzt.«
    Stokes schüttelte den Kopf.
    »Scheiße, Mann. Artie war einsame Spitze. Er hat nichts anderes gemacht. Er war zu gut, um sich weh zu tun.«
    Boschs Füße standen flach auf dem Boden. Die plötzlichen Schwingungen unter seinen Sohlen verrieten ihm, dass jetzt Leute im Bereitschaftsraum waren. Er streckte die Hand aus und drückte auf den Schließknopf im Türknauf.
    »Erinnerst du dich noch, wie er im Krankenhaus war? Er hatte sich am Kopf verletzt. Hat er dir erzählt, das war von einem Skateboardunfall?«
    Stokes runzelte die Stirn und senkte den Blick. Bosch hatte eine lebhafte Erinnerung losgetreten. Das konnte er sehen.
    »Ich weiß noch, sie hatten ihm den Kopf rasiert, und er hatte lauter Stiche, wie so ein Reißverschluss. Ich weiß nicht mehr, was er …«
    Jemand versuchte von außen die Tür zu öffnen, und dann ertönte ein lautes Klopfen. Eine gedämpfte Stimme ertönte.
    »Detective Bosch, hier ist Lieutenant Gilmore, OIS. Öffnen Sie die Tür.«
    Stokes zuckte zurück, seine Augen überflutete Panik.
    »Nein! Lassen Sie sie nicht …«
    »Halt’s Maul!«
    Bosch beugte sich über den Tisch, packte Stokes am Kragen und zog ihn nach vorn.
    »Hör zu, das ist jetzt sehr wichtig.«
    Es klopfte wieder.
    »Willst du damit sagen, Arthur hat dir nie erzählt, dass ihm sein Vater weh getan hat?«
    »Hören Sie, Mann, wenn Sie mir helfen, sage ich alles, was Sie wollen. Okay? Sein Vater war ein Arschloch. Wenn Sie wollen, dass ich sage, Artie hat mir erzählt, sein Vater hat ihn mit einem Besenstiel verdroschen, sage ich das. Oder soll ich sagen, mit einem Baseballschläger? Können Sie haben, ich werde sagen …«
    »Ich will nur, dass du die Wahrheit sagst, verdammt noch mal. Hat er dir das mal erzählt oder nicht?«
    Die Tür ging auf. Sie hatten aus dem Schreibtisch am Eingang einen Schlüssel geholt. Zwei Männer in Anzügen kamen herein.
    Gilmore, den Bosch kannte, und ein anderer OIS-Detective, den Bosch nicht kannte.
    »So, Schluss jetzt«, verkündete Gilmore. »Bosch, was für eine Scheiße ziehen Sie hier ab?«
    »Hat er das erzählt?«, sagte Bosch zu Stokes.
    Der andere OIS-Detective zog einen Schlüsselbund aus der Tasche und machte sich daran, Stokes die Handschellen abzunehmen.
    »Ich hab nichts getan«, begann Stokes zu protestieren. »Ich hab …«
    »Hat er dir das mal erzählt?«, schrie Bosch.
    »Schaffen Sie ihn hier raus«, knurrte Gilmore den anderen Detective an. »Bringen Sie ihn in ein anderes Zimmer.«
    Der Detective hob Stokes buchstäblich von seinem Stuhl, und als er ihn dann aus dem Raum entfernte, musste er ihn halb tragen, halb schieben. Boschs Handschellen blieben auf dem Tisch. Bosch, der sie ausdruckslos anstierte, dachte an die Antworten, die Stokes ihm gegeben hatte, und spürte, wie die Einsicht, dass die ganze Sache umsonst gewesen war, wie eine schreckliche Last auf seine Brust zu drücken begann. Stokes brachte sie der Lösung des Falls nicht näher. Julia war niedergeschossen worden, und es war umsonst gewesen.
    Schließlich sah er zu Gilmore auf, der die Tür schloss und sich zu ihm umdrehte.
    »Also, dann noch mal, Bosch, was für eine Scheiße ziehen Sie hier ab?«

33
    Gilmore zwirbelte einen Bleistift zwischen den Fingern und trommelte mit dem Radiergummi auf den Tisch. Bosch traute keinem Ermittler, der sich mit Bleistift Notizen machte. Aber genau das war Sinn und Zweck des Officer Involved Shooting-Teams: dafür zu sorgen, dass Schilderungen und Fakten in das Bild passten, das die Polizeiführung der Öffentlichkeit präsentieren wollte. Es war eine Bleistifttruppe. Um alles richtig hinzudrehen, war es oft nötig, Bleistift und Radiergummi zu verwenden, nie Tinte, nie ein Tonbandgerät.
    »Dann gehen wir das Ganze jetzt noch mal durch«, sagte er. »Schildern Sie mir, was Officer Brasher getan hat.«
    Bosch sah an Gilmore vorbei. Er war auf den Stuhl des Vernehmungszimmers versetzt worden, auf dem der Verdächtige saß, sodass er jetzt auf den Spiegel schaute – auf den Einwegspiegel, hinter dem, da war er ganz sicher, mindestens ein halbes Dutzend Leute

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