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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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für ihren Traum aufgegeben, für die Chance, ans große Geld zu kommen, nur noch sie selbst sein zu können. Alles hatte sie weggeworfen, um sich an irgendeinem Strand zu aalen und Cocktails zu schlürfen. Aber wo lag dieser verdammte Strand eigentlich? Auf Tahiti? Jamaica? Phuket?
    Sie hatte nie darüber nachgedacht. Und spielte es überhaupt eine Rolle?
    Immer wieder hatte sie sich vorgestellt, wie sie ihren Eltern eine Postkarte schrieb: Scheiß auf euch. Ich habe alles und ihr nichts.
    Und jetzt?
    Der Strand schien weiter entfernt als je zuvor.
    Sie saß in einem Pick-up in einem Vorort von Boston und wartete darauf, dass ein verblödeter Ex-Knacki mit sechs Millionen zu ihr ins Auto stieg. Obwohl sie genau wusste, dass all ihre Träume längst den Bach heruntergegangen waren.
    Sie ließ den Zündschlüssel wieder los und griff in ihre Handtasche. In der Seitentasche befand sich ein kleines zerknittertes Foto. Als sie es in den Fingern hielt, fühlte es sich so brüchig an wie ein Blatt, das lange in der Herbstsonne gelegen hatte.
    Sie blickte in das Gesicht ihres kleinen Sohns.
    Ethan.
    »Es tut mir so leid«, flüsterte sie, ehe sie das Bild auf den Beifahrersitz legte.
    Sie war kurz davor, den Motor zu starten, doch plötzlich fragte sie sich erneut: Was, wenn …
    Was, wenn Dwayne am Ende doch richtig lag?
    Alles deutete darauf hin, dass er sich irrte. Was aber, wenn doch sechs Millionen auf ihn warteten? Und er das Geld am Ende für sich allein hatte?
    Sie musste wissen, was hier lief.
    Sie ließ den Schlüssel stecken, griff nach der Waffe und stieg aus dem Pick-up. Sie lief den Seitenweg am Haus entlang, bog um die Ecke und blieb vor der Tür stehen.
    Reglos verharrte sie und lauschte angestrengt.
    Von drinnen drangen gedämpfte Stimmen durch die massive Tür. Sie konnte so gut wie nichts verstehen. Doch. Eine Stimme, die höher klang als die anderen, irgendwie ängstlich. Dwaynes.
    Ein paar Satzfetzen drangen an ihre Ohren.
    »Ich schwöre bei Gott, ich habe das nie … Ich habe ihr noch gesagt … lass uns besseres Werkzeug besorgen … Ich war total dagegen … aber sie …«
    Mehr brauchte sie nicht zu hören. Er hatte sie hingehängt. Verraten und verkauft. Sie war als Nächste an der Reihe. Jede Sekunde würde die Tür aufgehen, und dann …
    Was, wenn sie einfach wartete und schoss, sobald jemand in der Tür erschien? Keine gute Idee; sehr viel wahrscheinlicher war, dass sie sich dabei selbst eine Kugel einfing. Sie trat den Rückzug an, drückte sich an die Hauswand, und als sie aufsah, erblickte sie die kleine Kamera, die unter der Regenrinne befestigt war.
    Verdammt. Im Five Mountains hatte sie noch wie ein Schießhund auf jede Kamera geachtet. Und wenn sich hier eine Kamera befand, war wahrscheinlich das ganze Haus überwacht.
    Vielleicht wussten sie längst, dass sie sich hier draußen herumtrieb.
    Nichts wie weg.
    Sie lief los, war Sekunden später am Pick-up, riss die Tür auf, warf die Waffe auf den Beifahrersitz und startete den Motor.
    Er stotterte bloß, sprang aber nicht an.
    Als sie den Zündschlüssel erneut drehte, erblickte sie durch die Windschutzscheibe einen Mann in einer langen Jacke, der eine Pistole in der Rechten hielt und im Laufen auf sie zielte.
    Endlich sprang der Motor an. Sie legte den Rückwärtsgang ein und trat aufs Gas, ohne sich zu vergewissern, ob jemand hinter ihr war. Mit quietschenden Reifen setzte sie aus der Einfahrt auf die Straße und riss das Steuer herum.
    Im selben Augenblick schlug eine Kugel in die Windschutzscheibe ein.
    Eine Millisekunde später richtete sie den Blick auf den Mann, der auf sie geschossen hatte.
    Und sah, dass ihm die linke Hand fehlte.
    Der Fahrer eines blauen Chevy drückte wild auf die Hupe, als der Pick-up seinen Wagen um ein Haar rammte. Ein lautes »Arschloch« drang an Jans Ohren, als der Chevy vorbeifuhr.
    Als sie auf die Bremse trat und den ersten Gang einlegte, gab Oscar Fine den nächsten Schuss ab, verfehlte sie aber.
    Er lief auf die Straße, sein Gesicht eine Maske finsterer Entschlossenheit, und legte erneut an. Jan lenkte nach rechts und trat aufs Gaspedal, und um ein Haar hätte sie ihn mit dem linken Kotflügel erwischt. Immerhin brachte sie ihn aus dem Gleichgewicht; er stolperte und ging zu Boden, obwohl sie ihn nicht einmal gestreift hatte.
    Der Revolver lag nach wie vor auf dem Beifahrersitz, aber sie hatte keine Zeit, ihn zu benutzen, ganz abgesehen davon, dass er sich nun hinter ihr befand und sie ihn

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