Kein Entkommen
Problem. Schießen Sie los.«
Oscar Fine hielt sich nicht lange mit Vorreden auf. Er wollte wissen, wieso die beiden sechs Jahre lang gewartet hatten. Was Connie Tattinger in der Zwischenzeit gemacht, wo sie gewohnt, mit wem sie zusammengelebt hatte.
Dwayne war so zuvorkommend, wie er nur konnte. Er verriet Oscar Fine alles, was er wusste.
»Danke«, sagte Oscar Fine schließlich. »Ich weiß das zu schätzen.«
»Ach, man tut eben, was man kann.« Wieder setzte Dwayne ein nervöses Grinsen auf. »Eine Hand wäscht die andere, stimmt’s? Also, unser Deal steht, oder? Ich hole sie, und ihr lasst mich laufen.«
»Das hast du dir so gedacht«, sagte Oscar Fine und schoss ihm mitten durch die Stirn.
45
Oscar Fine zuckte entschuldigend mit den Achseln. »Entschuldige die Sauerei. Ich schicke jemanden vorbei, der sich darum kümmert.«
Banura warf einen Blick auf die gegenüberliegende Wand, an der Blut und Gehirnmasse klebten.
»Ich habe schon Schlimmeres gesehen«, sagte er.
Oscar Fine trat an Banuras Werkbank und schrieb eine Nummer auf einen Notizblock. »Ruf einfach dort an und sag, Mr Fine hätte dir die Nummer gegeben. Die Jungs übernehmen den Rest. Entsorgen, Reinemachen, alles.«
»Danke«, meinte Banura.
»Aber warte noch ein paar Minuten, bis ich mir das Mädchen vorgeknöpft habe.«
Banura nickte.
»Gibt’s hier noch einen anderen Ausgang?«, fragte Oscar Fine. »Nur für den Fall, dass sie die Tür beobachtet?«
»Nein«, erwiderte Banura. »Hier geht’s nur durch die Hintertür rein. Aber keine Sorge. Mein Überwachungssystem sieht alles.«
»Lass mal sehen.«
Banura wies auf einen Flachbildschirm, ging zur Werkbank und gab ein paar Befehle in ein Keyboard ein. Auf dem Bildschirm erschienen vier gleich große Vierecke, die Banuras Anwesen aus verschiedenen Perspektiven zeigten.
»Alles Weitwinkelobjektive«, erklärte Banura.
Oscar Fine beugte sich vor und nahm das obere Viereck rechts ins Visier, das die Einfahrt und einen Teil der Straße zeigte. Er sah den Pick-up, doch da die Windschutzscheibe die Sonne reflektierte, konnte er nicht erkennen, ob jemand darin saß.
»Hmm«, sagte er.
Auf der Kamera, die den rückwärtigen Teil des Hauses überwachte, war nur der leere Hof zu erkennen. Banura hatte offenbar alles entfernen lassen, was den Blick versperrte. Es gab keinen Schuppen, nicht mal Bäume; nichts außer einer Fläche verdorrten Grases und einem zwei Meter hohen Lattenzaun.
»He!« Banura deutete auf das Viereck rechts oben. »Das darf doch nicht wahr sein!«
Einen Sekundenbruchteil später sah Oscar Fine es auch.
Der Pick-up setzte aus der Einfahrt auf die Straße zurück.
***
Kaum war Dwayne hinter dem Haus verschwunden, dachte Jan: Ich mach nicht mehr mit. Ich bin raus aus der Nummer.
Fieberhaft versuchte sie sich zusammenzureimen, was nicht stimmte.
Banura war ein Amateur und hatte keine Ahnung von Diamanten. Äußerst unwahrscheinlich.
Die Alte in dem Juweliergeschäft war meschugge und verstand nichts von Diamanten. Ebenso unwahrscheinlich.
Banura hatte sofort kapiert, dass es sich um Imitate handelte, sich verarscht gefühlt und beschlossen, ihnen eine Lektion zu erteilen. Möglich, aber warum hatte er sie dann auf 14:00 Uhr vertröstet?
Banura brauchte Zeit, um etwas einzufädeln. Absolut wahrscheinlich, auch wenn sie nicht glaubte, dass es ihm darum gegangen war, das Geld zu beschaffen.
Was, wenn er sich mit Oscar Fine in Verbindung gesetzt hatte? War es möglich, dass der Kurier ihnen nach all den Jahren immer noch auf den Fersen war und nur darauf wartete, dass jemand irgendwo eine Ladung falscher Diamanten zum Verkauf anbot? Immer noch auf der Suche nach der Frau, die ihn seine linke Hand gekostet hatte?
Hau ab, sagte ihre innere Stimme. Mach dich vom Acker, aber schnell.
Sie streckte die Hand nach dem Schlüssel aus, der im Zündschloss steckte. Sie musste nur den Motor starten, den Rückwärtsgang einlegen, auf die Interstate fahren und Boston so weit wie möglich hinter sich lassen.
Nichts wie weg.
Aber wohin?
All die Jahre hatte sie nur ein Ziel vor Augen gehabt. Promise Falls den Rücken zu kehren und ihr Paradies zu finden. Wenn sie erst die Steine zu Geld gemacht hatte.
Imitate. Wertloser Plunder.
Die ganze Zeit über hatte sie darauf gewartet, sich endlich ihren Traum erfüllen zu können. Nie hatte sie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, was sie bereits hatte.
Ein Leben.
Ein Haus.
Einen Mann.
Einen Sohn.
Alles hatte sie
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