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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Five-Mountains-Park besorgt.«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte ich. »Ich war nur mit den Gedanken woanders.«
    »Gibt’s ein Problem? Kannst du nicht?«
    »Doch, doch. Nur morgen wäre es problematisch geworden.«
    »Was gibt’s denn?«
    Ich senkte die Stimme, damit Samantha, die am Nebentisch auf ihre Tastatur eintippte, nichts mitbekam. »Ich treffe mich morgen Nachmittag mit jemandem.«
    »Mit wem?«
    »Keine Ahnung. Ich habe eine anonyme E-Mail bekommen. Von einer Frau, die behauptet, belastendes Material gegen Reeves und andere Stadträte in der Hand zu haben.«
    »Du lieber Gott. Darauf hast du doch nur gewartet.«
    »Ja, aber erst mal abwarten, was dabei herauskommt.«
    »Und wo triffst du dich mit ihr? In irgendeiner dunklen Gasse oder so?«
    »Oben am Lake George.«
    Einen Moment lang herrschte völlige Stille in der Leitung.
    »Ist irgendwas, Schatz?«
    »Nein, nichts. Ich habe nur überlegt, ob ich mir morgen noch mal einen Tag freinehmen soll. Hier ist sowieso nichts los. Hätten wir gerade eine Hitzewelle, würde das Telefon nicht mehr stillstehen, aber bei dem Wetter kaufen die Leute keine Klimaanlagen.«
    Ich dachte einen Moment nach. »Wie wär’s, wenn du mitfährst?«, fragte ich dann. So hatte ich Gesellschaft, außerdem konnte ich ein Auge auf sie haben, da mir die Vorstellung nicht gefiel, dass sie womöglich von dunklen Gedanken überfallen wurde, wenn sie allein zu Hause war.
    »Vergiss es«, erwiderte Jan. »Diese Frau will doch garantiert, dass du allein kommst.«
    Ich überlegte. »Wenn sie fragt, sage ich ihr einfach, dass du meine Frau bist. Wir haben nur einen Ausflug gemacht, die Arbeit mit dem Angenehmen verbunden. Das wird sie bestimmt verstehen.«
    »Möglich.« Jan klang alles andere als überzeugt. »Aber du weißt doch nichts über deine Informantin. Ist das nicht riskant?«
    Ich lachte. »Oh, brandgefährlich.«
    ***
    Die Fahrt zum Lake George würde kaum länger als eine Stunde dauern, trotzdem beschloss ich, mich schon um drei Uhr auf den Weg zu machen, um kein Risiko einzugehen. In ihrer E-Mail hatte die Frau ausdrücklich erklärt, dass unser Treffen innerhalb eines Zeitfensters von zehn Minuten stattfinden würde. Ich nahm mir vor, mich exakt an ihre Anweisungen zu halten. Ich würde um 17:00 Uhr eintreffen und um 17:10 Uhr wieder zurückfahren, wenn sie bis dahin nicht aufgetaucht war.
    Jan beschloss, Ethan am Vormittag bei sich zu behalten und ihn dann gegen zwei bei meinen Eltern abzuliefern, denen es nie etwas auszumachen schien, dass wir sie so oft als Babysitter einspannten. Mom vergötterte Ethan, wohl nicht zuletzt deshalb, weil es endlich ein männliches Wesen unter ihrem Dach gab, das ihr gehorchte. Dad überlegte sogar, im Keller eine Eisenbahn für Ethan zu bauen, aber ich vermutete, dass er den Kleinen nur vorschob. Wahrscheinlich brauchte er einfach ein neues Projekt, und er hatte schon immer ein Faible für Modelleisenbahnen gehabt, für die großen Lionel-Dampfloks, die lautstark über die Gleise ratterten und dicke Rauchwolken ausstießen. Mom war sicher nicht gerade begeistert von der Idee, aber wenn sich Dad dadurch davon abhalten ließ, andere Autofahrer mit oberlehrerhaften Schildern zu drangsalieren, würde sie sich garantiert breitschlagen lassen.
    Um Viertel vor drei fuhr ich zu Hause vor. Ich dachte, Jan würde mich vielleicht schon auf der Vorderveranda erwarten – wir wohnen im alten Teil der Stadt, wo es noch solche Häuser gibt –, doch war sie nirgends zu sehen. Ich ging die Treppe hinauf, öffnete die Fliegentür und rief nach ihr.
    »Ich bin hier oben!«, rief sie zurück.
    »Wir müssen los«, rief ich auf dem Weg nach oben. »Ich würde gern unterwegs irgendwo noch einen Kaffee trinken, ehe …«
    Ich betrat unser Schlafzimmer. Jan lag im Bett, den Kopf auf den rechten Arm gelegt.
    »Was ist los?«, fragte ich. »Fühlst du dich nicht gut?«
    Sie schlug die Decke zurück. Sie war nackt. »Sehe ich so aus?«, fragte sie.
    »Tja«, sagte ich grinsend, »wenn du so zum Lake George fahren willst, holst du dir garantiert einen Schnupfen.«
    »Wenn du wirklich so großen Kaffeedurst hast, ziehe ich mir schnell was über.«
    »Ach, eigentlich habe ich schon ein, zwei Tässchen in der Redaktion getrunken«, sagte ich.
    Eine Viertelstunde später waren wir unterwegs.
    ***
    Die ersten zwanzig Meilen begann ich im Geiste eine Unterhaltung, die jedoch nirgendwohin führte.
    »Dir scheint es ja wieder besserzugehen«, wollte ich sagen.

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