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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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muss ich mir erst mal näher ansehen«, sagte er. »Ich komme sofort rüber.« Er konnte seine Vorfreude kaum verhehlen.
    Eine halbe Stunde später war er da – mit seinem Werkzeugkasten und einem Propanlötkolben.
    »Das Leck ist irgendwo hinter der Wand«, sagte er. »Wir müssen es nur finden.«
    Schließlich glaubten wir ein leises Zischen hinter dem Waschbecken im Badezimmer zu vernehmen, als wir unsere Ohren an die Wand legten.
    Dad zückte sofort eine Säge mit spitzem Ende, um der Wand zu Leibe zu rücken.
    »Moment«, sagte ich mit Blick auf die geblümte Tapete. »Wie wär’s, wenn wir es von der anderen Seite versuchen?«
    »Was ist denn da drüben?«, fragte er.
    »Warte mal kurz«, gab ich zurück. Auf der anderen Seite der Wand befand sich unser Wäscheschrank. Ich öffnete ihn und begann, die Sachen auszuräumen, die sich im Stauraum unter den Regalbrettern befanden – einen Wäschekorb, eine Großpackung Toilettenpapier und Küchenrollen –, bis die Wand dahinter frei war. Es erschien mir klüger, hier die Wand aufzustemmen, wo man die Spuren nicht gleich sehen konnte.
    Schließlich ging ich auf alle viere und lauschte nach dem Zischen.
    Dann fiel mir auf, dass die Abdeckleiste an der Wand lose zu sein schien. Als ich danach tastete, merkte ich, dass die Leiste an dieser Stelle nicht festgenagelt war. Und plötzlich fühlte ich etwas, das sich dahinter befand.
    Es war das obere Ende eines schmalen, länglichen Briefumschlags, der perfekt dahinter passte. Ich zog den Umschlag hervor. Es stand nichts darauf, und er war auch nicht zugeklebt. Als ich ihn öffnete, fand ich darin ein einzelnes Blatt Papier und einen Schlüssel.
    Ich faltete das Blatt Papier auseinander und sah auf den ersten Blick, dass es sich um irgendein amtliches Dokument handelte.
    Es war eine Geburtsurkunde.
    Jans Geburtsurkunde. Alles, was sie mir nie hatte erzählen wollen, stand auf diesem Stück Papier. Ja, natürlich kannte ich ihren Mädchennamen – Richler –, doch hatte sie stets dichtgemacht, wenn es um die Namen ihrer Eltern ging; ebenso wenig hatte sie mir verraten wollen, wo ihre Eltern lebten.
    Und nun las ich, dass ihre Mutter Gretchen und ihr Vater Horace hieß. Dass Jan im Monroe Community Hospital in Rochester zur Welt gekommen war. Und nicht zuletzt stand dort eine Adresse: Lincoln Avenue, Pittsford.
    Ich prägte mir die Informationen ein, faltete das Blatt Papier wieder zusammen und steckte es zurück in den Umschlag. Stirnrunzelnd betrachtete ich den Schlüssel. Ich konnte nichts damit anfangen; ein Haustürschlüssel war es jedenfalls bestimmt nicht. Ich ließ ihn dort, wo er war, und schob den Umschlag zurück hinter die Bodenleiste.
    Als ich wieder ins Bad kam, traf mich beinahe der Schlag. In der Wand unter dem Waschbecken klaffte ein riesiges Loch. Dad strahlte mich an. »Ich bin drin!«, verkündete er. »Und da ist das Leck! Am besten, du drehst erst mal das Hauptventil ab.«
    ***
    Bevor ich nach Buffalo fuhr, sah ich im Internet-Telefonbuch nach. In der Gegend um Rochester waren lediglich fünf Richlers eingetragen, darunter nur ein einziger H. Richler.
    Der auch noch an der Lincoln Avenue wohnte.
    Womit ich schon mal wusste, dass Jans Eltern noch lebten. Oder zumindest ein Elternteil, falls einer von beiden gestorben war.
    Ich rief von meinem Büro aus an, um Genaueres herauszukriegen. Als ich die Nummer der Richlers gewählt hatte, meldete sich eine Frau, die ich auf Mitte sechzig, Anfang siebzig schätzte. Gretchen Richler, jede Wette.
    »Ich würde gern mit Ihrem Mann sprechen«, sagte ich.
    »Einen Augenblick«, erwiderte sie.
    Eine halbe Minute später drang eine müde Männerstimme an mein Ohr. »Hallo?«
    »Spreche ich mit Hank Richler?«
    »Hmm? Nein. Hier ist Horace Richler.«
    »Oh, entschuldigen Sie. Da habe ich mich wohl verwählt.«
    Ich legte auf. Und plötzlich war ich neugieriger denn je, warum Jan sich stets so hartnäckig geweigert hatte, über ihre Eltern zu reden.
    »Ich will nichts mehr mit ihnen zu tun haben«, hatte sie immer wieder gesagt. »Ich will sie nie mehr sehen, und sie werden bei dem Gedanken wahrscheinlich auch nicht gerade in Tränen ausbrechen.«
    Und selbst als Ethan geboren wurde, wollte sie ihre Eltern nicht davon unterrichten.
    »Das ist denen doch schnurzegal«, sagte sie.
    »Genauso gut wäre es doch möglich, dass sie völlig aus dem Häuschen sind, wenn sie erfahren, dass sie einen Enkel haben. Vielleicht führt das ja dazu, dass ihr euch

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