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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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hatte, sagte Horace: »Man glaubt, man ist über etwas hinweg, und dann werden die alten Wunden aus heiterem Himmel doch wieder aufgerissen.«
    »Es tut mir leid«, sagte ich.
    »Hmm«, brummte Horace.
    Ich nickte bedauernd und wollte aufstehen. Erst jetzt merkte ich, dass meine Beine zitterten.
    »In Ihrem Zustand wollen Sie sich ja wohl nicht wieder hinters Steuer setzen«, sagte Horace.
    »Ach was«, sagte ich. »Ich trinke irgendwo unterwegs einen Kaffee.«
    »So wie Sie aussehen, hilft wahrscheinlich auch der stärkste Kaffee nichts mehr«, sagte er. Zum ersten Mal klang er ein wenig freundlicher.
    »Ich muss zurück«, sagte ich. »Mein Sohn wartet auf mich. Im Notfall fahre ich auf einen Rastplatz und schlafe ein, zwei Stunden im Auto.«
    Wir hörten, wie Gretchen wieder die Treppe herunterkam. »Wie alt ist Ihr Junge denn?«, rief sie. »Dem Foto nach würde ich ihn auf drei schätzen.«
    Augenblicke später stand sie in der Wohnzimmertür. Mittlerweile schien sie die Fassung wiedererlangt zu haben.
    »Inzwischen ist er vier«, sagte ich. »Er heißt Ethan.«
    »Wie lange sind Sie schon verheiratet?«
    »Seit fünf Jahren.«
    »Glauben Sie, Sie tun Ihrem Sohn einen Gefallen, wenn Sie unterwegs in den Graben fahren?«
    Sie hatte recht. »Ich suche mir ein Hotel«, sagte ich.
    Gretchen wies auf das Sofa. »Sie können auch hier übernachten. Betrachten Sie sich als unseren Gast.«
    Die Couch mit den Kissen sah plötzlich überaus verlockend aus.
    »Ich will Ihnen keine Umstände machen«, sagte ich.
    »Tun Sie nicht.«
    Ich nickte. »Ich werde Ihnen nicht lange auf die Nerven fallen. Bei Sonnenaufgang fahre ich wieder los.«
    Horace musterte mich stirnrunzelnd, während er angestrengt zu überlegen schien. »Darf ich Ihnen mal eine Frage stellen?«, sagte er schließlich. »Wenn Ihre Frau sich ›Jan Richler‹ nennt, es aber nicht ist … Wer, zum Teufel, ist sie dann sonst?«
    Dieselbe Frage lauerte schon die ganze Zeit in meinem Hinterkopf. Ich hatte sie nur immer wieder verdrängt.
    Aber Horace war noch nicht fertig. »Wie konnte sie das unserer Kleinen nur antun? Warum hat sie ihr den Namen gestohlen? Reicht es nicht, was mit ihr passiert ist?«

19
    Am Sonntagmorgen klingelte der Wecker bei den Duckworths um 6:30 Uhr.
    Der Detective rührte sich nicht. Er hörte nicht, wie der Nachrichtensprecher sagte, es würde ein bewölkter Tag werden, nicht wärmer als 22 Grad, und dass für Montag Regen erwartet wurde.
    Maureen Duckworth aber hörte jedes einzelne Wort, da sie bereits wach war. Tatsächlich hatte sie schon seit gut zwei Stunden kein Auge mehr zugetan. Gegen vier war sie aus einem Alptraum aufgeschreckt. Wieder einmal hatte sie von Trevor geträumt, ihrem neunzehnjährigen Sohn, der mit seiner Freundin Trish unterwegs in Europa war und – typisch für ihn, dass er nie an seine Mutter dachte – bereits seit zwei Tagen weder angerufen noch eine E-Mail geschickt hatte. In ihrem Traum hatte Trevor beschlossen, mit einem Bungeeseil vom Eiffelturm zu springen, war aber auf dem Weg nach unten aus unerfindlichen Gründen von fliegenden Affen angegriffen worden.
    Sie wusste, dass einem jungen Mann in der Ferne so manches zustoßen konnte, musste aber zugeben, dass ein derartiges Szenario äußerst unwahrscheinlich war. Sie sagte sich wieder und wieder, dass der Alptraum keinerlei Bedeutung hatte, dass es sich nicht um ein Omen handelte, sondern nur um eine hirnrissige Phantasie. Und normalerweise hätte sie die Augen geschlossen und weitergeschlafen, wäre da nicht das lautstarke Schnarchen ihres Manns gewesen. Er schnarchte, dass die Wände wackelten.
    Sie verpasste Barry einen Schubs, so dass er auf die Seite rollte, wodurch es jedoch keinen Deut besser wurde. Es war, als würde sie neben einer Kettensäge schlafen.
    Sie griff nach den Ohrstöpseln, die für den Notfall auf dem Nachttisch lagen, aber sie waren ungefähr so wirksam, wie in Unterhosen in einem Schneesturm herumzulaufen.
    Und nun schnarchte Barry immer noch, obwohl der Wecker um Punkt halb sieben losgegangen war. Unlängst hatte sie Barry dazu überredet, es mit Nasenstreifen zu versuchen, die offenbar die Atemwege öffneten. Er hatte eingewilligt, doch gebracht hatte es gar nichts. Daraufhin hatte sie ihm eine Packung Anti-Schnarch-Pillen gekauft, deren Wirkung ebenfalls gegen null tendierte.
    Sie meinte zu wissen, wo das Problem lag. Barry musste einfach ein wenig abnehmen. Deshalb achtete sie auf seine Ernährung, stellte zum

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