Kein Entkommen
Großstadt lebt. Jede Nacht hört man den Verkehrslärm von draußen, und irgendwann hat man sich so dran gewöhnt, dass man ihn gar nicht mehr mitkriegt. Erst wenn man plötzlich eine Nacht auf dem Land verbringt, wird einem der Unterschied bewusst. Und genauso war’s, als ich aufgewacht bin. Im ersten Moment habe ich mich gefragt, wo zum Teufel ich eigentlich bin. Der ganze Lastwagenverkehr auf dem Highway, das bin ich nicht gewohnt. Hast du immer noch Kopfschmerzen?«
»Nein, die sind weg.« Als die Worte über ihre Lippen kamen, bereute sie sie bereits.
Dwayne rückte näher und griff ihr zwischen die Beine.
»He«, sagte sie. »Jetzt mal langsam mit den jungen Pferden. Ist ja nicht so, als würden sie dich in fünf Minuten in deine Zelle zurückbringen.«
»Tut mir leid«, sagte er. Erst vor kurzem hatte sie eine ähnliche Bemerkung gemacht. Am Abend zuvor, in einem Schnellrestaurant abseits des Highways, hatte er seine Mahlzeit bereits halb hinuntergeschlungen, ehe sie überhaupt ihre Serviette auseinandergefaltet hatte; er schaufelte das Zeug in sich hinein, als würde morgen die Welt untergehen. Er hätte sich angewöhnt, sein Essen in sich hineinzustopfen, bevor es ihm jemand wegnehmen konnte, hatte er erklärt.
Er nahm die Hand weg und begann mit einer ihrer Brustwarzen zu spielen. Sie drehte sich ganz zu ihm um. Ein bisschen Entgegenkommen konnte sie ja ruhig zeigen, dachte sie. Einfach ein bisschen schauspielern. Sie streckte die Hand aus und begann ihn zu masturbieren, während sie sich fragte, wie er seinen Trieb im Knast befriedigt hatte. Vielleicht hatte er es ja sogar mit anderen Kerlen gemacht; klar, er war nicht vom anderen Ufer, aber ein halbes Jahrzehnt ohne Sex? Sie musste ihn irgendwann mal fragen. Oder vielleicht doch lieber nicht. Möglich, dass er allergisch auf solche Fragen reagierte.
Und letztlich war es ihr auch egal. Sie war bloß neugierig und ging den Dingen gern auf den Grund.
Anscheinend war Dwayne der Meinung, dass dreißig Sekunden Vorspiel reichten, um ihren Motor auf Touren zu bringen, und wälzte sich auf sie. Nach einer Minute war alles wieder vorbei. Gott sei Dank.
»Wow, du hast es echt drauf«, sagte sie.
»Sicher?«, fragte er. »Ich hätte noch länger gekonnt, Babe, aber dann ist es einfach passiert.«
»Nein, das war echt klasse.«
»Hör zu.« Er stützte sich auf den Ellbogen. »Wie soll ich dich jetzt eigentlich nennen? Deinen richtigen Namen sollten wir in der Öffentlichkeit wohl besser nicht erwähnen. Wie wär’s mit ›Blondie‹?« Er nickte in Richtung der blonden Perücke auf ihrem Nachttisch und grinste. »Du siehst echt heiß aus, wenn du das Ding aufhast.«
Sie überlegte einen Augenblick. »Kate«, sagte sie dann.
»Kate?«
»Ja«, erwiderte sie. »Ab jetzt heiße ich Kate.«
Dwayne ließ sich zurücksinken und blickte an die Zimmerdecke. »Hmm, manchmal kann ich kaum glauben, dass ich wieder draußen bin, Kate . Ehrlich, es kam mir vor, als würde ich hundert Jahre abreißen. Andere Typen haben einfach bloß ihre Zeit abgesessen, Tag um Tag, und natürlich wollten sie auch wieder raus, aber letztlich hatten sie nichts, wofür sich das Warten gelohnt hätte. Ich hingegen habe meiner Entlassung jeden einzelnen Tag entgegengefiebert.«
»Tja«, sagte Kate. »Du hattest eben etwas, worauf du dich freuen konntest.«
Dwayne warf ihr einen Blick zu. »Aber hallo«, sagte er. »Außerdem hast du ja auf mich gewartet.«
Dass es in erster Linie nicht um sie ging, war Kate ohnehin klar gewesen.
»Wahrscheinlich hältst du mich immer noch für den größten Schwachkopf auf diesem Planeten«, sagte er.
Sie schwieg.
»Wahnsinn, was? Da haben wir alles bis ins kleinste Detail geplant, und dann verknacken die mich wegen etwas völlig anderem. Glaubst du, ich hätte mich nicht jeden Tag selbst in den Arsch getreten? Ja, es war echt bescheuert von mir, aber was sollte ich denn machen? Der Typ hat mich provoziert. Eigentlich hätte ich dafür gar nicht in den Knast wandern dürfen. Es war Notwehr. Mein Anwalt hat mich reingeritten, verdammte Scheiße!«
Sie hörte die Geschichte nicht zum ersten Mal.
»Ich meine, was soll man denn machen, wenn jemand versucht, einem einen Queue über die Rübe zu ziehen? Einfach stehen bleiben und drauf warten, dass er einem den Scheitel zieht?«
»Hättest du deine Schulden beglichen, wäre es nie dazu gekommen«, gab sie zurück. »Dann wäre er dir nie mit dem Ding zu Leibe gerückt, und du hättest ihm nicht
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