Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
Vom Netzwerk:
gestorben war? Und warum besaß sie dessen Geburtsurkunde?
    Das war kein verrückter Zufall. Hier ging es nicht um zwei Menschen, die zufällig denselben Namen trugen. Jans Geburtsurkunde hatte mich geradewegs zu den Richlers geführt.
    Ich dachte darüber nach, was ich zu Gretchen gesagt hatte. Dass Jan vielleicht dazu gezwungen gewesen war, ihre Identität zu wechseln.
    Ich versuchte mir einen Reim auf das Ganze zu machen. Jan Richler, die Jan Richler, die ich geheiratet hatte und mit der ich seit sechs Jahren zusammen war, war nicht die echte Jan Richler.
    Es war kein großes Geheimnis, dass man sich mit dem Namen einer Person, die jung gestorben war, eine neue Identität aufbauen konnte. Ich arbeitete lange genug als Journalist, um zu wissen, wie so etwas funktionierte. Man beantragte einfach eine Kopie der Geburtsurkunde der betreffenden Person; in den meisten Fällen wurden Geburts- und Sterbeurkunden in verschiedenen Abteilungen der Standesämter aufbewahrt. Und hatte man sich erst einmal die Geburtsurkunde verschafft, konnte man sich darüber auch eine Sozialversicherungsnummer, einen Bibliotheksausweis oder einen Führerschein besorgen.
    Es war keineswegs unmöglich, sich eine andere Identität zuzulegen. Meine Frau war zu Jan Richler und schließlich zu Jan Harwood geworden.
    Davor jedoch hatte sie einen anderen Namen getragen.
    Und was war der wahrscheinlichste Grund für jemanden, sein altes Leben ad acta zu legen und ein neues zu beginnen?
    Im selben Augenblick schoss mir siedend heiß ein Wort durch den Kopf: Zeugenschutzprogramm.
    »Großer Gott«, stieß ich hervor.
    Vielleicht war es das. Vielleicht hatte Jan in einem Prozess gegen eine kriminelle Vereinigung ausgesagt. Aber gegen wen? Gegen die Mafia? Irgendeine Rocker-Bande? Wenn, dann musste es sich um eine Organisation handeln, die über die Mittel verfügte, jemanden aufzuspüren und sich an ihm zu rächen.
    Und in dem Fall hätten Staatsanwaltschaft und Polizei ihr garantiert eine neue Identität verschafft.
    Und damit hätte sie ein Geheimnis gehabt, das man unter Umständen auch seinem Ehepartner vorenthielt. Vielleicht hatte sie sich gesorgt, mich – und erst recht Ethan – mit der Wahrheit Risiken auszusetzen, deren Tragweite nicht abzusehen war.
    Kein Wunder, dass sie ihre Geburtsurkunde versteckt hatte. Wäre sie aufgeflogen, hätte sie uns als Familie möglicherweise in tödliche Gefahr gebracht.
    Aber wenn sie tatsächlich eine neue Identität im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms erhalten hatte – inwiefern stand ihr Verschwinden damit in Verbindung?
    Hatte irgendjemand herausgefunden, wer sie wirklich war? Glaubte sie, dass ihr jemand auf der Spur war? War sie geflüchtet, um ihr Leben zu retten?
    Aber wenn es so gewesen war, warum hatte sie sich mir nicht anvertraut?
    Warum hatte sie mir kein Sterbenswörtchen davon erzählt?
    Und handelte ich richtig, wenn Jan sich tatsächlich in Lebensgefahr befand? Oder lockte ich letzten Endes nur finstere Gestalten auf ihre Spur, die mit ihr abrechnen wollten?
    Immer vorausgesetzt, dass meine Theorien über ein Zeugenschutzprogramm nicht kompletter Unsinn waren.
    Ich musste mit Barry Duckworth reden. Er hatte garantiert die richtigen Verbindungen, um herauszufinden, ob Jan unter anderem Namen in einem großen Prozess als Zeugin ausgesagt hatte. Vielleicht …
    Mein Handy klingelte.
    »Ja?«
    »Dave?«
    »Am Apparat.«
    »Gütiger Himmel, Dave, du bist Tagesthema Nummer eins, ohne deinen Kollegen auch nur ein Wort davon zu verraten?«
    Brian Donnelly, der Kopf unserer Lokalredaktion.
    »Brian«, sagte ich.
    »Wo bist du?«
    »Auf der I-90. Ich war oben in Rochester.«
    »Mann, das ist ja entsetzlich«, sagte er.
    »Ja«, erwiderte ich. »Jan ist jetzt schon seit …«
    »Verdammte Scheiße. Als die Cops die Nachricht gebracht haben, war bei uns schon Redaktionsschluss. Heißt, dass Radio und TV alles haben, bloß wir stehen mit leeren Händen da, weil du uns das Ganze verschwiegen hast! Madeline ist stocksauer! Warum hast du das getan? Warum hast du uns im Regen stehen lassen?«
    »Tut mir leid, Brian«, sagte ich. »Ich habe einfach nicht nachgedacht.«
    »Hör zu. Ich stelle dich gleich zu Samantha durch, sie soll die Titelstory machen. Aber kannst du uns trotzdem zusätzlich was aus deiner Perspektive schreiben? So à la › Standard -Reporter in mysteriösen Kriminalfall verwickelt‹, du verstehst schon, was ich meine. Ich will hier nicht als Arschloch rüberkommen,

Weitere Kostenlose Bücher