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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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die Billardkugel an die Stirn gefeuert.«
    »Gott sei Dank ist er wieder aus dem Koma aufgewacht«, meinte Dwayne. »Sonst hätten die mir ›lebenslänglich‹ aufgebrummt.«
    Zwei Minuten lang sprachen sie kein Wort, ehe Dwayne schließlich das Schweigen brach. »Ehrlich, Babe«, sagte er. »Manchmal habe ich mir ein bisschen Sorgen gemacht.«
    »Worüber?«, fragte sie.
    »Dass du nicht auf mich warten würdest. Na ja, es war eine lange Zeit. Auch wenn ich gewusst habe, was wir in der Hinterhand hatten.«
    Kate streckte die Hand aus und strich träge über seine Brustwarzen. »Ich will es nicht vergleichen«, sagte sie, »aber in gewisser Weise war ich die ganze Zeit ja selber in einem Gefängnis.«
    »Aber du hast es echt clever hingekriegt mit dem neuen Namen. Im Handumdrehen bist du von der Bildfläche verschwunden.«
    Ihre neue Identität hatte sie zu dem Zeitpunkt bereits parat gehabt; sie hatte sie nur nicht sofort benutzt. Es ging eben nichts über eine gute Vorbereitung. Im Voraus denken. Auch wenn sie damals gar nicht gedacht hatte, dass sie so schnell einen neuen Namen benötigen würde.
    Dwayne hatte sich seinerzeit bereits eine neue Identität zugelegt, obwohl er sich nicht so akribisch mit amtlichen Dokumenten ausgestattet hatte wie Kate; jedenfalls war er davon ausgegangen, dass nichts zu ihm zurückverfolgt werden konnte, falls sich jemand auf seine Spur setzte. Nach seiner Verhaftung war sein wirklicher Name in den Zeitungen erschienen; kein Grund also, sich größere Sorgen zu machen. Sie hingegen war auf Nummer sicher gegangen, bevor Dwayne die Idiotennummer mit der Billardkugel abgezogen hatte. Nichts hatte sie dem Zufall überlassen – spätestens, nachdem ihr zu Ohren gekommen war, dass der Bote überlebt hatte.
    »Und dieser Typ?«, fragte Dwayne.
    »Welcher Typ?«
    »Na, wer wohl? Der Kerl, den du geheiratet hast.«
    »Was meinst du?«
    »Wie war er?«
    Obwohl sie keine Lust hatte, darauf zu antworten, sagte sie: »Er hat mich geliebt. Trotz allem.«
    »Aber wie war er so?«
    »Er … Na ja, er war einer von denen, die ihr wahres Potenzial nicht erkennen.«
    Dwayne nickte. »Und genau darum geht’s. Selbstverwirklichung. Man muss was aus seinem Leben machen, und genau das habe ich vor. Zusammen mit dir. Weißt du, worauf ich stehen würde? Auf einem Boot zu leben. Da ist man total frei. Wenn einem irgendein Ort nicht passt, segelt man eben einfach woanders hin. Und obendrein kriegt man was von der Welt zu sehen. Na, wie würde dir das gefallen?«
    »Habe ich noch nie drüber nachgedacht.« Sie hörte auf, ihn zu streicheln, und ließ sich ebenfalls zurücksinken. »Da würde ich bestimmt seekrank. Als kleines Mädchen war ich mal mit meinen Eltern auf dem Lake Michigan und habe mir die Seele aus dem Leib gekotzt.« Sie hielt einen Moment inne, bevor sie weitersprach. »Aber Inseln finde ich toll. Sonne und Sandstrand. Mit einer Piña Colada in der Hand auf die Wellen hinaussehen, ohne dass mir jemand auf die Nerven geht. Inseln haben was. Da wird man einfach in Ruhe gelassen.«
    Dwayne hatte ihr überhaupt nicht zugehört. »Ein richtig großes Boot, das wär’s. Eins mit fetten Kabinen und allem Schnickschnack, nicht bloß irgendwelche Kajüten mit Einzelkojen und so. Nein, nein, ich will ein richtiges Doppelbett, in dem man sich voll entspannen kann, wenn die Wellen gegen die Bordwände spritzen.«
    »Spritzen?«, sagte sie.
    »Ja, ja, schon gut. Dann eben nicht spritzen. Hätte ich lieber ›schwappen‹ sagen sollen?«
    »Warst du überhaupt schon mal auf einem Boot?«, fragte Kate.
    Dwayne Osterhaus runzelte die Stirn. »Man muss nicht alles getan haben, um zu wissen, dass man es prima findet. Ich war ja auch noch nie mit Beyoncé in der Kiste, obwohl es bestimmt eine geile Nummer wäre.«
    »Dann ruf sie doch mal an.« Kate schlug die Decke zurück. »Ich gehe erst mal duschen.«
    Im Bad überlegte sie, was sich zwischen ihnen verändert hatte. Irgendetwas war anders nach all den Jahren. Klar, er war schon vorher kein Einstein gewesen, aber dafür hatte er es ihr nach allen Regeln der Kunst besorgt. Und den Kitzel des Risikos hatte sie auch nicht vergessen. Jeder Tag war ein neues Abenteuer gewesen.
    Damals war Dwayne genau der Richtige für sie gewesen. Er hatte ihr alles gegeben, was sie brauchte. Aber es war weiß Gott kein Wunder, dass er nicht mehr derselbe war. Der Knast. Man fuhr ein und kam als anderer Mensch wieder heraus.
    Aber vielleicht lag es gar nicht an ihm.

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