Kein Entkommen
Gemütszustands zum Arzt geschickt zu haben – eine Behauptung, die Dr. Samuels’ Aussage ins Reich der freien Erfindung verwiesen hatte.
Die Besitzerin des Gina’s hatte ein Gespräch mit angehört, das darauf schließen ließ, dass Harwood seine Frau loswerden wollte – sehr, sehr merkwürdig, wie der Detective fand.
Und zu alldem kam noch der Ausflug zum Lake George. Den David Harwood mit keiner Silbe erwähnt hatte. Fest stand aber, dass ein Zeuge Jan Harwood unweit des Lake George gesehen hatte – am Tag, bevor sie von der Bildfläche verschwunden war. Laut dem Ladenbesitzer, Ted Brehl, hatte Jan Harwood nicht gewusst, wohin sie mit ihrem Mann unterwegs war, und gemeint, es handele sich wohl um so etwas wie eine »Überraschung«. Und ihr Boss, Ernie Bertram, hatte ausgesagt, Jan hätte am vergangenen Freitag mit ihrem Mann »irgendwo hinfahren« wollen – was perfekt zu den anderen Ungereimtheiten passte.
War Ted Brehl womöglich der letzte Mensch, der Jan Harwood lebend gesehen hatte? David Harwood natürlich nicht mitgezählt. Mehr und mehr war Detective Barry Duckworth davon überzeugt, dass David Harwood Dreck am Stecken hatte.
Er hatte es einfach im Urin. Alles, was der Kerl erzählt hatte, stank drei Meilen gegen den Wind.
***
Arlene Harwood versuchte sich auf Trab zu halten. Ihr Mann, der sich manchmal langweilte und dann regelmäßig anfing, sich als Oberlehrer aufzuführen, spielte mit Ethan. Gut so. Don hatte ein altes Krocketspiel gefunden und mit Ethan im Garten einen kleinen Parcours aufgebaut. Bald aber hatte Ethan angefangen, die Holzkugeln nicht mehr durch die kleinen Tore zu schießen, sondern wild durch die Gegend zu ballern, woraufhin Don schnell darauf verzichtet hatte, ihm die Feinheiten des Spiels erklären zu wollen.
Während die beiden im Garten herumtollten, erledigte Arlene den Abwasch, bügelte, zahlte ein paar Rechnungen online, blätterte in der Zeitung und sah ein paar Minuten fern. Nur das Telefon fasste sie nicht an. Sie wollte nicht, dass besetzt war, wenn David anrief. Oder die Polizei.
Vielleicht sogar Jan.
Sie machte sich große Sorgen um Jan, aber auch um David und Ethan. Was, wenn Jan etwas zugestoßen war? Wie würde David damit fertig werden? Wie würde Ethan auf den Verlust seiner Mutter reagieren?
Sie schüttelte den Kopf. Sie wollte positiv denken, war aber seit jeher Realistin gewesen. Wenn man vom Schlimmsten ausging, konnte es eigentlich nur noch besser werden.
Sie zermarterte sich das Hirn, was um Himmels willen mit Jan passiert sein könnte. Sie hatte immer schon so ein Gefühl gehabt, was Jan anging, auch wenn sie nie mit ihrem Sohn darüber geredet hatte, geschweige denn mit ihrem Mann, der David gleich alles brühwarm weitererzählt hätte. Trotzdem. Sie hatte von Anfang an gespürt, dass mit Jan etwas nicht stimmte.
Sie hätte nicht mal genau sagen können, was. Vielleicht hatte es etwas mit Jans Verhalten gegenüber Männern zu tun. David hatte sich Hals über Kopf in sie verliebt, als er für den Standard eine Reportage über Menschen geschrieben hatte, die auf dem Arbeitsamt von Promise Falls für Jobs anstanden. Jan war neu in der Stadt, ebenfalls auf der Suche nach Arbeit, und David hatte sie um ein Interview gebeten. Jan war jedoch ziemlich reserviert gewesen; sie wollte nicht, dass ihr Name in einer Zeitung erschien.
Irgendetwas an ihr hatte David berührt. Seiner Mutter hatte er verraten, sie hätte »verloren« auf ihn gewirkt.
Doch obwohl sie David kein Interview geben wollte, erzählte Jan ihm, dass sie allein lebte, in Promise Falls niemanden kannte und keine Verwandten in der Stadt hatte.
Und wäre es ihm nicht peinlich gewesen, hätte David sie gefragt, warum eine so auffallend hübsche junge Frau wie Jan so allein war. Eine wirklich interessante Frage, wie Arlene schon damals gefunden hatte.
Aber er hatte eben nicht nachgehakt.
Ein paar Tage später war sie ihm an der Bushaltestelle vor dem Arbeitsamt aufgefallen. Er hatte sie gefragt, ob er sie mitnehmen könne, und nach anfänglichem Zögern hatte sie eingewilligt. Wie sich herausstellte, wohnte sie über einer Spielhölle.
»Also, es geht mich ja nichts an«, sagte David, »aber die Gegend hier ist nichts für eine alleinstehende Frau.«
»Ich kann mir aber momentan nichts Besseres leisten«, sagte sie. »Sobald ich einen Job habe, suche ich mir was anderes.«
»Was zahlen Sie denn für Ihre Bude?«, fragte er.
Jans Augen weiteten sich. »Das geht Sie nun
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