Kein Entkommen
wirklich nichts an.«
»Ach, kommen Sie schon«, sagte er.
Sie sagte es ihm.
Zurück in der Redaktion, rief David eine Kollegin in der Anzeigenabteilung an. »Wie steht’s mit den Mietangeboten für morgen? Eine Bekannte von mir sucht dringend eine kleine Wohnung.« Er nannte ihr Jans Budget, worauf ihm die Kollegin vier Angebote per E-Mail schickte. Auf dem Nachhauseweg parkte er gegenüber von der Spielhölle, betrat das Haus und klopfte an ihrer Tür.
Als sie öffnete, gab er ihr die Liste. »Diese Wohnungen stehen erst morgen in der Zeitung. Drei davon sind auf jeden Fall schon mal in besseren Vierteln, und keine davon ist teurer als Ihr jetziges Apartment.« Er versuchte über ihre Schulter zu spähen. »Viel zu packen haben Sie ja nicht.«
»Wieso machen Sie das für mich?«, fragte Jan.
Am Wochenende half er ihr beim Umziehen.
Wieder mal eine, für die er Lebensretter spielen kann, hatte seine Mutter gedacht. Nachdem Samantha Henry ihm unterbreitet hatte, dass sie auch ohne ihn klarkäme, nach dem Motto: Danke für alles, und lass uns Freunde bleiben.
Sie hatten nicht lange umeinander geworben. Arlene zog eine Grimasse; du meine Güte, »werben«, so redete doch kein Mensch mehr – wie alt war sie eigentlich? Nun ja, jedenfalls war alles sehr schnell gegangen.
Bereits nach ein paar Monaten hatten sie geheiratet.
»Warum noch länger warten«, hatte David gesagt, »wenn man die Richtige gefunden hat? Ich will endlich eine Familie gründen. Und das dazugehörige Haus habe ich ja auch schon.«
Was stimmte. Er hatte es zwei Jahre zuvor gekauft, auf Anraten des Wirtschaftsredakteurs – nur Idioten würden Miete zahlen.
»Und Jan will sich ebenfalls so in die Ehe stürzen?«
»Du und Dad, ihr kanntet euch doch auch noch nicht so lange, bevor ihr geheiratet habt.«
»Wo du recht hast, hast du recht«, hatte Don gesagt. Sie waren gerade mal fünf Monate miteinander ausgegangen, ehe sie vor den Traualtar getreten waren.
Aber Don war vom ersten Augenblick an von Jan hingerissen gewesen. Sie hatte Dons Sympathien mühelos für sich gewonnen. Vielleicht kam es Arlene nur so vor, aber irgendwie schien sie instinktiv zu wissen, wie sie Männer um den Finger wickeln konnte.
Was letztlich kein großes Geheimnis war, dachte Arlene. Jan war eine äußerst begehrenswerte junge Frau. Sie mochte nicht die Züge eines Supermodels besitzen, aber doch volle Lippen, ausdrucksstarke Augen und eine süße Nase. Ihre langen Beine kamen stets bestens zur Geltung, ob sie nun enge Röcke oder verschlissene Jeans trug. Zudem setzte sie ihren Sexappeal auf ganz natürliche Weise ein, ohne aufdringlich oder gar billig zu wirken. Übertriebene Augenaufschläge oder Anbiederungen mit Babystimme waren nicht ihre Sache. Es war, als hätte sie ein Parfum aufgelegt, dessen betörendem Duft niemand widerstehen konnte.
Sobald David mit Jan aufgekreuzt war, hatte Don sich zum Affen gemacht. Stets spielte er ihren Diener, half ihr aus dem Mantel, schenkte ihr andauernd nach, holte ihr ein zusätzliches Sofakissen, sobald sie nicht ganz bequem zu sitzen schien. Schließlich hatte Arlene ihn darauf angesprochen. »Du lieber Himmel«, hatte sie eines Abends gesagt, als Jan und David nach Hause gefahren waren. »Was ist bloß los mit dir? Willst du ihr nächstes Mal auch noch die Füße massieren?«
Seither hatte Don sich am Riemen gerissen, wenngleich ihm auch weiterhin anzusehen war, wie ihn die zukünftige Frau seines Sohnes in den Bann schlug.
Arlene hingegen ließ sich nicht so leicht umgarnen, auch wenn Jan sich stets von ihrer besten Seite zeigte. Außerdem schien die junge Frau zu spüren, dass die Tour, mit der sie Männer betörte, bei Arlene schlicht nicht zog.
Was für ein Mädchen, fragte sich Arlene, brach jeden Kontakt zu seiner Familie ab? Sicher, nicht jeder Mensch stammte aus einem liebevollen Elternhaus. Aber Jan hatte ihre Eltern ja nicht einmal von der Geburt ihres Sohns unterrichtet. Was mussten das für Rabeneltern sein, wenn sie ihnen nicht einmal erzählte, dass sie einen Enkel hatten?
Jan hatte bestimmt gute Gründe für ihr Verhalten gehabt, dachte Arlene. Trotzdem war es nicht in Ordnung.
Es klingelte an der Tür.
Arlene stand bereits im Flur, da sie gerade den Garderobenschrank inspizierte und sich fragte, welche Mäntel – einige waren im Lauf der Zeit doch ziemlich fadenscheinig geworden – sie aussortieren konnte. Sie erschrak so sehr, dass sie sich unwillkürlich an die Brust griff und ein
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