Kein Entkommen
Duckworth einfach stehen und eilte zur Tür. Als ich einen letzten Blick über die Schulter warf, sah ich, wie Stan Reeves auf den Detective einredete.
Fünf Minuten später fuhr Dad in seinem blauen Crown Victoria vor. Ich stieg ein und knallte die Beifahrertür hinter mir zu.
»He«, sagte Dad. »Willst du, dass die Scheiben rausfallen?«
»Was ist passiert?«, fragte ich.
»Hat Mom dir doch schon am Telefon erzählt. Sie haben deinen Wagen abgeschleppt. Obwohl er gar nicht im Halteverbot stand.«
»Darum geht’s auch nicht«, gab ich zurück.
Dad warf mir einen enttäuschten Blick zu. »Worum dann? Hast du deine Kreditraten nicht bezahlt?«
Immerhin, dachte ich. Mein Vater hielt mich für einen säumigen Schuldner, aber immerhin nicht für einen Mörder.
»Quatsch«, erwiderte ich. »Die Polizei sucht nach Spuren, Dad.«
»Wovon redest du, David?«
»Tja … Ich fürchte, Sie glauben, dass …«
»Was?«
»Dass ich Jan etwas angetan habe.«
»O Gott!«, stieß er hervor. »Wie kommen sie denn darauf?«
»Fahr mich einfach nach Hause, Dad.«
»Was soll das? Jan ist deine Frau! Du würdest doch nie im Leben auf die Idee kommen, Jan weh zu tun! Wie kommen sie überhaupt darauf?« Plötzlich schien es ihm zu dämmern. »Sie haben doch nicht etwa ihre Leiche gefunden, oder?«
»Nein«, sagte ich. »Die Cops nehmen immer zuerst den Ehemann unter die Lupe, das ist alles.« Ich wusste selbst nicht so recht, ob ich Dad oder mich selbst beruhigen wollte. Vielleicht war es ja nur ein Routineverhör gewesen.
Nein. Ich brauchte mir nichts vorzumachen. Alles schien darauf hinzuweisen, dass ich etwas mit Jans Verschwinden zu tun hatte. Die Tatsache, dass nur zwei Tickets online bestellt worden waren. Die Tatsache, dass niemand Jan zu Gesicht bekommen hatte, nachdem wir vom Lake George zurückgekehrt waren. Die Tatsache, dass scheinbar niemand etwas von Jans Gemütsschwankungen bemerkt hatte.
All das würde sich irgendwie erklären lassen. Was ich mir allerdings nicht erklären konnte, war die Tatsache, warum der Besitzer von Ted’s Lakeview General Store gelogen hatte. Wieso hatte er der Polizei erzählt, Jan hätte nicht gewusst, wohin wir unterwegs waren? Dass sie unseren Trip als ›Überraschung‹ bezeichnet hatte?
Das war grotesk.
Jan war in den Laden gegangen, um uns etwas zu trinken zu kaufen. Wie wahrscheinlich war es, dass sie mit einem wildfremden Menschen eine Unterhaltung anfing, ihm obendrein noch erzählte, weshalb sie mit ihrem Mann unterwegs war? Ich konnte mir vorstellen, dass es vielleicht zu einem kurzen Austausch übers Wetter gekommen war, aber aus welchem Grund hätte Jan jemandem erzählen sollen, dass sie nicht wusste, warum ihr Mann mit ihr an den See gefahren war? Und da Jan gewusst hatte, dass ich mich mit einer Informantin treffen wollte, lag auf der Hand, dass sie sich einem Fremden gegenüber äußerst vorsichtig verhalten hätte.
Also hatte der Ladenbesitzer gelogen. Es sei denn, er war von Jan belogen worden.
Oder log gar der Detective?
Hatte er sich das Ganze ausgedacht, um mich aus der Reserve zu locken? Um zu sehen, wie ich reagieren würde? Aber woher wusste er überhaupt, dass wir am Lake George gewesen waren und Jan den Laden betreten hatte? Aber es war nicht schwer, eins und eins zusammenzuzählen. Offenbar hatte der Ladenbesitzer die Polizei kontaktiert, nachdem er den Aufruf im Fernsehen gesehen hatte.
»Was ist los?«, sagte Dad. »Was geht dir im Kopf herum?«
»Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll«, sagte ich. »Fahr mich einfach nach Hause.«
***
Als wir um die Straßenecke bogen, sah ich die Streifenwagen vor meinem Haus. Da Jans Wagen nicht mehr in der Einfahrt stand, hatten sie ihn offensichtlich bereits abgeschleppt. Ich stieg aus, noch bevor Dad vollends angehalten hatte, und lief über den Rasen und die Treppe hinauf. Die Haustür stand offen; von drinnen drangen Stimmen.
»Hallo!«, rief ich.
Auf dem oberen Treppenabsatz erschien eine uniformierte Frau. Die Polizistin, die sich im Five Mountains um Ethan gekümmert hatte. Im selben Augenblick fiel mir auch ihr Name wieder ein. Didi Campion.
»Mr Harwood«, sagte sie.
»Ich möchte den Durchsuchungsbefehl sehen«, sagte ich.
»Alex!«, rief sie, worauf ein kleiner, schmächtiger Mann hinter ihr auftauchte. Er war kaum älter als dreißig, hatte kurzgeschnittene Haare und trug Jeans, ein weißes Polohemd und eine Sportjacke.
»Das ist Mr Harwood«, informierte sie ihn.
Der Mann kam
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