Kein Entkommen
geschickt auf Distanz. Kaum fing ich an, ihm sein Misstrauen vorzuwerfen, lenkte er wieder ein.
»Wo liegt dann das Problem?«
»Wann sind Sie wieder zurückgefahren?«
»Gegen halb sechs, als klar war, dass meine Informantin nicht mehr kommen würde.«
»Zusammen mit Ihrer Frau?«
»Ja, natürlich.«
»Haben Sie unterwegs irgendwo haltgemacht?«
»Nein. Ich habe nur noch Ethan bei meinen Eltern abgeholt.«
»Ebenfalls zusammen mit Ihrer Frau?«
Ich sah ihm an, dass er die Antwort bereits kannte. »Nein«, erwiderte ich. »Ich habe ihn allein abgeholt.«
»Jetzt komme ich nicht mehr mit.« Er runzelte die Stirn. »Wieso sind Sie denn allein zu Ihren Eltern gefahren?«
»Jan fühlte sich nicht wohl«, sagte ich. »Sie hatte Kopfschmerzen und bat mich, sie erst zu Hause abzusetzen.«
Duckworth nickte, ein bisschen sehr nachdrücklich, wie mir vorkam. »Ah ja. Aber das Haus Ihrer Eltern liegt doch auf dem Weg zu Ihnen. Ich meine, sind Sie allen Ernstes erst nach Hause gefahren und dann noch einmal umgekehrt?«
»Klingt komisch, aber, ja«, sagte ich. »Manchmal sind meine Eltern … nun ja, ein bisschen redselig. Und sie hätten es als unhöflich empfunden, wenn Jan nicht zumindest für ein paar Minuten mit hereingekommen wäre. Jedenfalls wollte sich Jan das nicht antun, deshalb habe ich sie erst nach Hause gefahren. Worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Dass ich Jan am Lake George zurückgelassen habe?«
Als Duckworth nicht antwortete, sagte ich: »Warum fragen Sie nicht meinen Sohn? Er kann bezeugen, dass Jan am Freitagabend bei ihm war.«
»Ich denke, das ist nicht nötig«, erwiderte Duckworth. »Wir müssen einen Vierjährigen nicht gleich einem Verhör unterziehen.«
»Ach ja? Weil Sie ihm ohnehin nicht glauben würden? Denken Sie, ich hätte ihm eingetrichtert, was er sagen soll?«
»Das haben Sie gesagt.« Duckworth nippte an seinem Kaffee.
»Dann fragen Sie wenigstens in dem Laden am Lake George nach. Dort kann sich garantiert jemand an Jan erinnern.«
»Alles kein Problem, Mr Harwood«, sagte Duckworth. »Wir haben bereits die Bestätigung, dass Ihre Frau dort zur betreffenden Zeit gesehen wurde.«
Ich wartete.
»Das Problem besteht darin, was sie dem Besitzer des Ladens erzählt hat.«
»Was? Ich verstehe kein Wort.«
»Laut Aussage des Ladenbesitzers hat Ihre Frau gesagt, Ihr Ausflug sei eine Art ›Überraschung‹ – sie wüsste nicht, wohin Sie mit ihr unterwegs wären.«
»Wie bitte?«
»Sie schien keine Ahnung zu haben, warum Sie mit ihr an den See gefahren waren.«
Ich fühlte mich, als hätte er mir einen Hieb in die Magengrube verpasst.
»Das ist doch absurd«, sagte ich. »Jan wusste genau Bescheid. Wer auch immer Ihnen das erzählt hat, lügt, und zwar wie gedruckt.«
»Warum sollte das jemand erfinden?«, gab Duckworth zurück.
»Keine Ahnung. Aber es stimmt nicht. Jan hätte nie so etwas gesagt. Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.«
»Warum hat Ihre Frau zu Ihnen gesagt, Sie wollten sie loswerden?«
»Was?«
»Beantworten Sie meine Frage.«
»Wovon zum Teufel reden Sie?«
»Wollen Sie etwa abstreiten, dass Ihre Frau diese Worte geäußert hat?«
Ich öffnete den Mund, aber ich war so fassungslos, dass kein Wort über meine Lippen drang. Ich riss mich mit aller Macht zusammen. »Unser Abend im Gina’s«, sagte ich tonlos.
»Ja?«
»Das war vor ungefähr zwei Wochen. Wir wollten uns einen netten Abend beim Italiener machen. Davon reden Sie, stimmt’s?«
»Erzählen Sie mal.«
»Jan war völlig durch den Wind an dem Abend. Sie hat auf jede Kleinigkeit überreagiert. Und auf einmal fuhr sie mich an, ich würde mich freuen, wenn ich sie los wäre – irgendwas in der Art, und auch noch laut genug, dass es wahrscheinlich das halbe Restaurant mitbekommen hat.«
»Interessant. Worauf hat sie sich denn bezogen? Dass Sie ihr vorher gesagt haben, Sie wären froh, wenn sie tot wäre?«
»Nein! Davon stimmt doch kein Wort, verdammt noch mal! Ja, sie hat gesagt, ich wäre ohne sie besser dran, aber das war kompletter Unsinn, den ich auf Jans Depression geschoben habe. Haben Sie das von Gina? Was zum Teufel hat sie sich da zusammenphantasiert?«
»Von wegen Depression«, sagte Duckworth. »Merkwürdig, dass außer Ihnen offenbar niemand bemerkt hat, in welchem Zustand sich Ihre Frau befand, nicht wahr?«
»Das stimmt doch nicht!« Ich schüttelte den Kopf. »Sprechen Sie mit unserem Hausarzt. Dr. Samuels wird es Ihnen bestätigen.«
Duckworth warf mir
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