Kein Entkommen
die Treppe herunter, sparte es sich aber, mir die Hand zu geben. Derartige Höflichkeiten waren offenbar nicht angesagt, wenn man das Haus eines potenziellen Ehefrauenmörders durchsuchte. »Detective Alex Simpson«, sagte er, griff in seine Jackentasche und reichte mir ein zweimal gefaltetes Blatt Papier. »Hier ist der Durchsuchungsbefehl.«
Ich warf einen Blick auf das Dokument, allerdings war ich so wütend, dass die Buchstaben vor meinen Augen verschwammen. »Sagen Sie mir einfach, wonach Sie suchen, dann zeige ich Ihnen, wo Sie es finden«, sagte ich.
»Tut mir leid«, sagte Simpson, »aber so funktioniert das leider nicht.«
Ich ging die Treppe hinauf. Als ich unser Schlafzimmer betrat, durchsuchte Campion gerade die Kommode, kramte zwischen Socken und Unterwäsche herum. Sie hielt kurz inne, als sie auf Strapse stieß, dann machte sie weiter.
»Muss das sein?«, fragte ich.
Campion antwortete nicht. Ich bemerkte, dass mein Laptop auf dem Bett lag. »Wie kommt der denn hierher?«
»Ihr Laptop ist beschlagnahmt«, sagte sie.
»Das soll wohl ein Scherz sein«, gab ich zurück. »Darauf sind unsere ganzen Steuerunterlagen und Adressen.«
»David.«
Ich wandte mich um. Mein Vater stand im Türrahmen. »Du musst dir ansehen, was sie in Ethans Zimmer angerichtet haben.«
Ich eilte hinaus auf den Flur. Im Zimmer meines Sohnes herrschte das nackte Chaos. Sein Bett war abgezogen worden; die Matratze lehnte an der Wand. Die Plastikkisten mit seinem Spielzeug waren allesamt ausgeleert worden.
»Das darf doch nicht wahr sein«, platzte ich heraus. »Was zum Teufel machen Sie hier?«
Simpson kam die Treppe herauf. »Mr Harwood, Sie haben das Recht, während einer Hausdurchsuchung anwesend zu sein, aber wenn Sie uns bei unserer Arbeit stören, muss ich Sie entfernen lassen.«
Ich war sprachlos vor Zorn. Während ich noch nach Worten rang, klingelte mein Handy.
»Ja?«, sagte ich.
»Hey, Dave, Samantha hier. Was zum Teufel ist passiert?«
»Ich kann jetzt nicht reden, Sam.«
»Hör zu, Dave. Ich rufe nicht bloß als Freundin an. Ich brauche etwas, das ich zitieren kann. Etwas von dir.«
Da die Montagsausgabe des Standard erst in der Nacht gedruckt wurde, musste es etwas sein, das Sam in der Online-Ausgabe bringen konnte. Ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, einen Blick auf die Website zu werfen, ging aber davon aus, dass sie nach den gestrigen Nachrichten etwas über Jans Fall gebracht hatten.
Ich ließ den Blick noch einmal durch Ethans Zimmer schweifen. Ich war drauf und dran, Simpson gehörig die Meinung zu geigen. Verdammt noch mal, was für Schwachköpfe von Bullen mussten das sein, die mir die Bude auf den Kopf stellten und sinnlos wertvolle Zeit verschwendeten, statt nach meiner Frau zu suchen?
»Schieß los, Sam«, sagte ich stattdessen.
»Ist es wahr, dass du verdächtigt wirst, etwas mit dem Verschwinden deiner Frau zu tun zu haben?«
Es war gerade eine knappe halbe Stunde vergangen, seit ich das Polizeirevier verlassen hatte. Woher wusste man beim Standard , dass …
Reeves.
Ich glaubte nicht, dass Duckworth dem Stadtrat irgendetwas erzählt hatte, und für eine weitere Pressekonferenz war nicht genug Zeit gewesen. Aber Reeves hatte mitbekommen, was ich auf dem Weg zum Ausgang zu Duckworth gesagt hatte. Und anschließend garantiert gleich den Standard informiert. Anonym natürlich, so machten das Ratten wie er. Ein kurzer Anruf in der Redaktion, dass ein Reporter des Hauses auf dem Polizeirevier dabei beobachtet worden war, wie er lautstark abgestritten hatte, seine Frau umgebracht zu haben. Klar, dass beim Standard bereits alle Drähte heiß liefen.
Jede Wette, dass Fernseh- und Radiosender inzwischen ebenfalls Bescheid wussten.
»Woher weißt du das, Sam?«
»Komm schon, Dave«, sagte Samantha Henry. »Du weißt doch genau, wie so was läuft. Es tut mir leid, aber ich muss dir diese Fragen stellen. Stimmt es, dass du unter Mordverdacht stehst? Musst du fürchten, verhaftet zu werden? Ist Jans Leiche gefunden worden?«
»Du meine Güte, Sam. Ich bitte dich. Was sagt denn die Polizei? Haben sie schon offiziell Stellung bezogen?«
»Bis jetzt habe ich nichts …«
»Also gibt es nur Gerüchte. Ihr habt einen anonymen Anruf erhalten, stimmt’s?«
»Dave, ich tue nichts, was du nicht auch tun würdest. Wir haben einen Tipp bekommen, und ich hake lediglich nach, das ist alles. Und, mal ehrlich, du willst doch bestimmt nicht mit jemand anderem reden. Wir stehen auf deiner Seite,
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