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Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerold , Haenel
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umgekippte Reisetasche, deren Reißverschluss aufgezogen war, außer einem Wirrwarr an Kleidungsstücken konnte Tabori auf den ersten Blick nichts erkennen, was eine weitere Suche gelohnt hätte. Einzig ein schwarzer BH aus einem fast durchsichtigen Material fesselte für einen Moment seine Aufmerksamkeit. In Höhe der Brustwarzen war der BH mit aufgenähten Blütenblättern aus Pailletten verziert.
    Wiederum mit Hilfe seines T-Shirts öffnete Tabori das Handschuhfach. Ein angebrochenes Päckchen Kaugummi, ein Reklamezettel eines Heimwerkermarktes, eine bunte Sammlung von Plastikchips für Einkaufswagen, ein einzelnesKondom der Marke »Billy-Boy«, noch ein Kugelschreiber, die Sonnenbrille, die die Anwärterin auf der Hotelterrasse getragen hatte.
    Tabori klappte das Handschuhfach zu und drückte die Tür ins Schloss. Er setzte rückwärts aus der Einfahrt und folgte der Schotterstraße, bis der Waldweg nach Skovsbjerg abzweigte. Er fuhr sehr langsam, wo die Betonplatten der beiden einzelnen Fahrspuren aufgebrochen waren, lauerten tiefe Schlaglöcher. Einmal kam er mit dem rechten Vorderrad aus der Spur, augenblicklich wühlte sich der Reifen in den losen Sand. Als Tabori das Gaspedal durchtrat, schlingerte der Passat zurück auf den Beton.
    Er schätzte die Strecke durch den Wald auf gut zwei Kilometer. Links und rechts gab es viel Windbruch, an manchen Stellen war frisch geschlagenes Holz aufgestapelt und mit neonroter Sprühfarbe markiert. Auf einem einzeln stehenden Kiefernstamm ohne Zweige saß ganz oben ein Raubvogel.
    Dann lag plötzlich das Meer vor Tabori, weit draußen dümpelte ein Fischkutter in der Fahrrinne zwischen den Sandbänken, die von einer schmalen Brandungslinie markiert wurden.
    Der Weg führte durch eine Senke und in einer engen Kurve zur Klippe hinauf. Auf dem Parkplatz hielt Tabori an und stellte den Motor aus. Der Abfallkorb neben dem Picknickplatz quoll über, der vertrocknete Rasen um die Bänke herum war mit Müll übersäht, hauptsächlich leere Bierdosen und Pizzaschachteln von irgendeinem Take-away, auch zerknüllte Taschentücher und Kondome, diesmal benutzt, die Dorfjugend schien den Platz für eine Party gewählt zu haben. Und danach hat sich ein Fuchs an den Resten bedient, dachteTabori, als er den kreisrunden Eingang des Fuchsbaus in einer Düne entdeckte, und: keine schlechte Wahl für eine Bleibe, den gedeckten Tisch gleich vor der Tür!
    Er bahnte sich einen Weg zwischen Ginsterbüschen und Sanddorngestrüpp zur Aussichtsstelle hinauf, weit unten erstreckte sich das Dünental mit dem Strand, direkt neben ihm ragte der rissige Beton einer Bunkerwand aus dem Gras, die Kante zur ebenen Fläche hinauf war glatt geschliffen von den unzähligen Händen und Füßen der Touristen, die hier hinaufgeklettert waren.
    Tabori stemmte sich ebenfalls hoch, vor ihm gähnte ein Luftschacht in der Betonplatte, der mit einem rostigen Gitter gesichert war. Ursprünglich musste der Bunker hier oben ein weiteres Stockwerk gehabt haben, ein Stück nach links ragten armdicke Armiereisen in die Luft, daneben führten Treppenstufen in die feuchte Dunkelheit hinunter, die Treppe hatte zweifellos noch mehr Leuten als nur der partybegeisterten Dorfjugend als behelfsmäßige Toilette gedient.
    Tabori achtete genau darauf, wo er seine Füße hinsetzte, am Ende der Stufen war wieder ein verrostetes Eisengitter, das den weiteren Weg versperren sollte, allerdings waren zwei Stangen mit brachialer Gewalt so weit auseinandergebogen, dass man problemlos hindurchschlüpfen konnte.
    Tabori überlegte, ob er die Taschenlampe aus dem Passat holen sollte, aber für ein paar Meter den Gang hinein würde das Licht von der Treppe her ausreichen, er schob sich durch das Gitter und hielt unwillkürlich den Atem an, als ihn der Modergeruch einhüllte. Es war kühl hier unten, kühl und feucht, Tabori spürte schon nach den ersten Schritten, wie sich die Feuchtigkeit als feiner Film auf seiner Haut niederschlug.
    Als er den toten Körper auf dem Boden entdeckte, zuckte er zurück und rammte sich den Ellbogen an der Bunkerwand, der Schmerz durchzuckte ihn bis in die Schulter hinauf. Er beugte sich vor. Der Fuchs oder irgendein anderes Tier hatte ganze Arbeit geleistet. Die Wirbelsäule lag fast zur Gänze frei, ebenso wie der größte Teil der Rippen. Das, was von den Eingeweiden noch übrig war, lag verstreut auf dem Boden, große schwarze Ameisen waren kollektiv bemüht, sich ihren Anteil an der Beute zu sichern, weiße

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