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Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerold , Haenel
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sagte sie und strich ihm mit der Rückseite ihrer Hand über die Bartstoppeln. Kein Kuss zur Begrüßung, wie sonst. Sie wirkte merkwürdig unsicher. »Ich dachte, ich hätte Stimmen gehört«, sagte sie.
    »Svenja war heute Nacht hier. Ist eben weg. Ich soll dich grüßen.«
    Lisa nickte nur.
    »Hast du schon genug oder trinkst du noch einen Kaffee mit mir?«, fragte sie, während sie bereits die Espressokanne aufsetzte.
    »Gerne. – Gibt es irgendwas, was du mir erzählen willst?«
    »Was?«
    Tabori sah, wie sich an ihrem Hals rote Flecken bildeten, die sich zu ihren Wangen hinauf ausbreiteten. Sie vermied jeden Blickkontakt mit ihm.
    Tabori griff nach seinen Zigaretten und zwang sich, ganz ruhig zu bleiben.
    »Also«, sagte er, »ich hätte es wahrscheinlich nur besser gefunden, wenn du mich vorher informiert hättest. Dann käme ich mir jetzt vielleicht nicht so völlig bescheuert vor.« Er inhalierte so tief, dass ihm schwindlig wurde. »Außerdem müssen wir irgendeine Lösung finden, ich weiß nicht, worauf das hier sonst rauslaufen soll.«
    Lisa fuhr herum.
    »Hej, jetzt mal ganz langsam, ja?! Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig, okay? Und das ist ganz allein meine Sache, damit hast du nichts zu tun. Also spiel jetzt hier gefälligst nicht den Control-Freak, klar ist die Situation ein bisschen blöd, aber auch für mich. Trotzdem gilt immer noch, dass es dich nichts angeht, was in meinem Schlafzimmer passiert, merk dir das?«
    »Hä?«, machte Tabori überrascht, »wovon redest du?«
    Lisa stutzte. »Wieso? Wovon redest du?«
    »Au Mann, was soll das? Da draußen steht der Mercedes von Warren und Svenja erzählt mir …«
    Zwischen Lisas Augenbrauen bildete sich eine steile Falte. »Wie bitte?« Sie war mit einem Schlag schneeweiß im Gesicht.
    »Und Svenja erzählt mir, dass dein Vater seit heute Nacht bei uns im Zirkuswagen wohnt, davon rede ich«, sagte Taboriund hatte das deutliche Gefühl, dass ihr Dialog vollkommen absurd war. »Und was soll das jetzt mit deinem Schlafzimmer? Das kapiere ich nicht …«
    »Das ist nicht wahr! Sag, dass das nicht wahr ist!«
    Lisa stürmte zur Vordertür, die Hunde folgten ihr winselnd.
    Tabori hörte, wie sie die Tür aufriss. Dann stieß sie einen Schrei aus. »Nein!« Dann fiel die Tür ins Schloss. Tabori sah sie am Fenster vorbei zum Zirkuswagen hinüberrennen.
    Der Kaffee blubberte hoch. Tabori stellte die Flamme aus. Hinter ihm hüstelte jemand. Tabori zuckte zusammen.
    »Sorry«, sagte Lepcke. »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
    Tabori verstand gar nichts mehr. Er starrte Lepcke an, als würden die Synapsen in seinem Hirn kollektiv den Dienst verweigern.
    »Okay, Mann«, sagte Lepcke und hob die Hände in einer Geste, die aus einem Wildwestfilm hätte stammen können, als wollte er sich ergeben. Er trug einen Anzug aus hellgrauer Shantungseide, den Tabori noch nie an ihm gesehen hatte. Der Zipfel einer roten Krawatte hing aus seiner Jacketttasche. Lepcke war außer Dienst. Wo immer er seine Schuhe gelassen hatte, jetzt war er jedenfalls barfuß. Tabori dachte, dass er auffällig kleine Füße hatte, was er zuvor noch nie bemerkt hatte.
    »Ist dumm gelaufen, gebe ich zu«, kam es von Lepcke. »Aber ich wusste nicht, wie ich hier anders wegkommen sollte, bei euch muss man ja immer durch die Küche, wenn man raus will. Und bei Lisa zu warten, bis du irgendwann verschwunden bist, war mir einfach zu blöd. Außerdem kriegst du es ja früher oder später sowieso raus, also lass uns irgendwieganz vernünftig bleiben, kein Stress, wenn du weißt, was ich meine.«
    »Weiß ich nicht«, sagte Tabori. Als er die Kanne auf den Tisch setzte, sah er, dass seine Hände zitterten. »Ich weiß überhaupt nichts mehr.«
    Lepcke stieß die Luft aus und deutete ein Lachen an. »Ich auch nicht, das glaub mir mal.«
    Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Lisa ist wo?«
    Tabori zeigte mit dem Kopf zum Fenster hinaus.
    Lepcke beließ es dabei, ohne weiter nachzufragen.
    »Bringen wir es hinter uns«, sagte er.

15
    Er wartete, bis sich auch Tabori wieder gesetzt hatte. Seine Geschichte klang wirr, Tabori hatte Mühe, ihm zu folgen. Aber unterm Strich lief es darauf hinaus, dass er, Lepcke, im Zusammenhang mit dem Tod der Anwärterin über irgendwas gestolpert war, was Tabori eindeutig aus der Schusslinie brachte. Deshalb hatte er dann Lisa angerufen und sich mit ihr getroffen.
    Lepcke breitete die Arme aus.
    »Was soll ich sagen, Alter? Vielleicht waren wir beide

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