Kein Erbarmen
vielleicht mit mir in die Küche kommen und …«
»Eher nicht, nein. Ich muss mit Lepcke reden, aber jetzt noch nicht. Und ganz sicher nicht, wenn die kleine Kifferin ihren Senf dazugibt. – Haben wir eigentlich die Leiter von den Nachbarn zurück?«
»Was?«
»Die Leiter, die du ihnen geliehen hast, damit sie an ihre Dachrinne kommen! Dann müsste ich nicht durch die Küche.«
Lisa lachte erst, dann tippte sie sich an die Stirn. »Du meinst das ernst, oder?«
Tabori nickte.
»Sag mal, du bist doch nicht mehr ganz dicht! Du willst doch jetzt nicht allen Ernstes mit der Leiter durchs Fenster in dein Zimmer?«
»Warum nicht? Du kannst doch einfach sagen, ich wäre nicht im Auto gewesen, und du hättest auch keine Ahnung, wo …«
»Hör auf, Tabori, es reicht! Du redest Blödsinn.«
»Wieso?«, beharrte Tabori. »Ich will keinen sehen, ich kann jetzt nicht. Ich krieg keinen klaren Gedanken mehr zusammen.«
»Das merke ich. Aber ich schätze mal, du willst vor allemLepcke nicht sehen, und das hat nichts mit dem Fall zu tun, sondern ausschließlich damit, dass ich mit ihm ins Bett gehe, und das passt dir nicht! Aber ich sag dir was …« Lisa ging um den Passat herum und stieg auf der Beifahrerseite ein. »Fahr los. Irgendwohin, wo wir reden können. Nur wir beide. – Jetzt guck nicht so entsetzt, mach schon, bevor sie sich im Haus fragen, was los ist. Lass uns in diese Obstweinkneipe am Kanal fahren, die müsste noch aufhaben.«
»Und Lepcke? Ich meine …«
»Meine Sache, oder? Er wird es schon verkraften. Entweder ist er nachher noch da oder nicht, mach dir deshalb keine Gedanken. Und, nein, bevor du jetzt fragst: Ich hab mich nicht über ihn geärgert, er nervt mich auch nicht, der Sex mit ihm ist gut, es läuft, wie es läuft, aber mehr wird es auch nicht werden, reicht dir das? – Und jetzt fahr endlich!«
Tabori drehte den Schlüssel. Als der Motor ansprang, schlugen auch die Hunde an. Tabori warf einen Blick zu Lisa hinüber. Sie zuckte mit den Schultern, zog die Beine an und stemmte die Füße gegen das Armaturenbrett. Tabori wusste, dass das ihre Lieblingshaltung war, wenn sie notgedrungen den Beifahrer spielen musste, gleich würde sie den Kopf gegen die Scheibe lehnen und ihren eigenen Gedanken nachhängen.
Aber diesmal war es anders. Tabori hatte gerade erst gewendet, als sie zu reden anfing. Ihre Stimme war so leise, dass er Mühe hatte, sie zu verstehen.
»Es hat in den letzten Monaten mehrere Razzien im Rotlicht-Milieu gegeben, und es ging sowohl um Rauschgift als auch um illegalen Waffenbesitz. In allen Fällen war das Ergebnis gleich Null. Kein Koks, kein Heroin. Nur ein paar Exstasy-Pillen und geringe Mengen von eigentlich rezeptpflichtigenArzneimitteln, mehr nicht, aber gerade genug, dass es reichte, im Einsatzbericht nicht als völlig gescheitert dazustehen. Und das Gleiche bei den Waffen, die üblichen Stilettos, zwei oder drei Handfeuerwaffen, für die es keinen Waffenschein gab, allerdings auch keinen Besitzer, dem man sie hätte zuordnen können. Als wäre das Ganze fingiert gewesen, als hätte die Szene genau Bescheid gewusst, wann welcher Laden durchsucht würde.«
»Jemand hat geredet …«
»Jemand, der die Einsatzpläne kannte. Oder sie selber aufgestellt hatte. Und dir ist auch klar, wer, oder?«
Tabori war plötzlich hellwach.
»Beim Rauschgift, ja. Da ist die Hundestaffel beteiligt, also war Respekt derjenige, der … Aber bei den Waffen macht es keinen Sinn. Soweit ich weiß, haben wir keine Hunde, die auf Waffen abgerichtet sind. Ich weiß noch nicht mal, ob wir überhaupt Sprengstoffhunde haben. Der Zoll, ja, aber …«
»Du lernst es nicht«, unterbrach ihn Lisa. »Ich habe es dir schon hundert Mal erklärt: Es sind immer dieselben Hunde, selbst bei der Leichensuche stolpern sie mit den Rauschgifthunden in der Gegend rum. Ich habe das oft genug erlebt, die Hunde machen sich gut für die Pressefotos, mehr nicht. Es geht nicht darum, wofür sie abgerichtet sind, sondern dass die Etats für die Hundestaffeln gerechtfertigt sind und nicht zusammengestrichen werden.«
»Also ebenfalls Respekt als Koordinator, aber was hat das Ganze …«
»Kein Aber. Markus ist drauf gekommen, weil ihn einer der Codenamen auf der Liste stutzig gemacht hat. ›Goldkettchen‹, das ist ein Immobilienhai, der den Kollegen von derSitte durchaus bekannt ist. Nicht nur, dass ihm mehrere Häuser im Rotlichtviertel gehören, sondern er mischt anscheinend unter anderem auch kräftig im
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