Kein Fleisch macht gluecklich
als überdimensioniert – da sind sich Experten und EU-Kommission einig. Die Kontrollen, bei denen überprüft wird, was wo und in welchen Mengen gefangen wird, sind dagegen lax. Der Europäische Rechnungshof kritisierte schon 2007, dass das System, Fangquoten festzulegen, nicht ausreichend angewendet werde und Verstöße kaum verfolgt oder bestraft würden. Die bestehenden Regeln werden aus politischen Gründen oft nicht eingehalten. Die Überfischung führt dazu, dass zunehmend jüngere und – da diese kleiner sind – auch mehr Tiere gefangen werden müssen, um auf das gleiche Fanggewicht zu kommen. Da viele Fische so getötet werden, bevor sie sich fortpflanzen können, kann der Bestand ganz zusammenbrechen – mit üblen Folgen auch für die Fischer. Der Tod der Fische ist oftmals auch der Tod der Fischerei. So ist die kanadische Kabeljau-Fischerei vor Neufundland von einem Tag auf den nächsten zusammengebrochen und hat sich trotz des Fangverbots für Kabeljau seit 1993 nicht wieder erholt. Auch über 20 Prozent der europäischen Fischbestände sind vermutlich biologisch nicht mehr in der Lage, sich zu erholen. Als Konsequenz hat die Europäische Union 2002 den Fischfang vor europäischen Küsten wegen Überfischung stark begrenzt. Dennoch lagen die Fangquoten des EU-Rates bisher im Schnitt um gut ein Drittel über dem Rat von Wissenschaftlern. Beifänge und illegale Fischerei sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Zumindest Deutschland orientiert sich aktuell an wissenschaftlich empfohlenen Fangquoten.
Eine gute Nachricht unter vielen schlechten: Fischbestände können sich, wenn man rechtzeitig handelt, relativ schnell erholen. Als es vom Ostseedorsch oder Kabeljau aufgrund des Fischfangs nur noch kleine Exemplare gab, sodass sie in der Ostsee sogar vom Jäger des Herings zu seiner Beute wurden, sorgte ein Regierungswechsel in Polen dafür, dass die Fangquoten eingehalten wurden (und werden). Inzwischen hat sich der Bestand wieder verdreifacht. Und seit am Horn von Afrika aufgrund der Piratenangriffe die großen Fangschiffe wegbleiben, nimmt die Zahl der Fische dort wieder deutlich zu. Auch während der beiden Weltkriege hatten sich die europäischen Bestände erholt, allerdings nichtaufgrund von vernünftiger Fischereipolitik. Die Fischer waren aufgrund der »unvernünftigen« Außenpolitik lieber an Land geblieben.
Welche Folgen der Klimawandel für die Fischwelt haben wird, ist bislang kaum abzusehen. Einige Arten wandern ab, weil es ihnen zu warm wird, oder sie wachsen nicht mehr so schnell. Die Versauerung der Ozeane durch das aufgenommene CO 2 bereitet vielen Kleinstlebewesen große Probleme, dadurch wird die ganze Nahrungskette in Mitleidenschaft gezogen. Aber die Erderwärmung bietet für manche Regionen auch Vorteile. In der Barentssee am nördlichen Polarkreis beispielsweise nimmt die Zahl der Kabeljaue stark zu.
Trotz immer modernerer Fangmethoden und der Ausbeutung von bisher nicht befischten Gebieten stagnieren die weltweiten Fangerträge bei 90 Millionen Tonnen – eine Folge des alles andere als nachhaltigen Vorgehens. Gehen die Bestände von »Zielfischarten« zurück, erhöht man zunächst den Energie- und Kosteneinsatz für deren weitere Ausbeutung, oft unter Inkaufnahme großer ökologischen Schäden, weil etwa mehr Beifang anfällt oder viele Jungfische getötet werden. Ist eine Fischerei dann irgendwann nicht mehr rentabel, verlagert man den Fang in andere Regionen oder auf andere Arten. Laut jüngstem FAO-Weltfischereibericht von 2010 wird über die Hälfte der weltweiten Bestände maximal genutzt. 28 Prozent sind überfischt und 3 Prozent komplett geplündert.
Auswärts Essen holen
Europa hat den größten Markt der Welt für Fischereiprodukte, und die Nachfrage wächst. Nicht nur die Importe steigen, die aktuell für europäische Gewässer sinnvolle Begrenzung der Fischerei verlagert das Problem in außereuropäische Fanggebiete. Die mit EU-Geldern modernisierten und neu gebauten Schiffe holen etwa vor der westafrikanischen Atlantikküste tonnenweise Fisch aus dem Meer. Der eigenen Fischindustrie sichert die EU ihre benötigten Fangmengen durch sogenannte Fischerei-Partnerschaftsabkommen mit Drittländern. Sie zahlt den afrikanischen Ländern Geld dafür, dass sie dort im großen Umfang fischen darf. Laut Vertragstext sind das Fische, die die heimischen Fischer nicht fangen wollen oder können. Insbesondere Garnelen und teurere Fischwaren holen sich die Europäer, aber
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