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Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Hand aus der Tasche und wedelte mit Papier.
    »Was ist das?«
    »Notizen über den Inhalt des Obduktionsbefunds.«
    Dengler versuchte danach zu schnappen. »Woher haben Sie das?«
    Matzbach steckte das Papier wieder ein. »Geht Sie nichts an. Martha hatte was mit Auerberg. Sie hatte aber auch was mit Ihnen, nicht wahr?«
    Denglers Unterkiefer sackte. »Woher ...?«
    »Hat mir ein Vögelchen erzählt. Und schauen Sie mal – hier.« Aus der Innentasche der Jacke holte er das Foto, das ihm die Bäuerin gegeben hatte. »Heute, Mister, sind Sie ziemlich feist. Damals waren Sie schlank und rank und lang. Genau wie Auerberg. Ich hab Sie auf dem Bild zuerst für ihn gehalten. Da gab’s ja die Aussage der Bäuerin, sie hätte Auerberg mit Martha zum See gehen sehn. Die Obduktion hat ergeben, daß Martha schwanger war. Die Sache ist nicht weiter verfolgt worden; man hat sich darauf geeinigt, daß sie aus Verzweiflung über die Schande auf dem Lande und so weiter ins Wasser gegangen ist. Was man halt so tut, wenn ringsum alles gut katholisch ist.«
    »Ich weiß.« Dengler lachte hohl. »Alles Blödsinn.«
    Matzbach sah ihm in die Augen. »Blödsinn? Geben Sie mir doch mal Ihre Version.«
    »Sie wissen doch sowieso zuviel ...«
    »Zuviel? Was ist das? Kommen Sie, Dengler, raus damit. Nach der Entbindung werden Sie sich wohler fühlen, Frollein.«
    »Ziemlich zynisch in dem Zusammenhang, oder?«
    Dengler war zwei Jahre jünger als Auerberg, Jahrgang 1948, hatte zwei Jahre Bundeswehr absolviert und war zeitgleich mit Auerberg 1968 heimgekehrt, um an der eben erst gegründeten Uni Bielefeld Jura zu studieren. Vom Frühjahr bis zum Sommeranfang 1971 hatte er als Gasthörer in Georgetown Politik und Völkerrecht absorbiert. Nach dem Examen ging er 1974 in die Kommunalpolitik.
    »Washington war nützlich – für später«, sagte er; dann klang er plötzlich bitter. »Bloß ... Martha. Auerberg und ich haben sie irgendwann in dem Winter kennengelernt. Das waren die wilden Jahre damals, sogar hier in der Provinz. Für Auerberg war’s Spaß, für Martha auch. Ich glaub, ich war richtig verknallt. Aber Martha sah das alles nicht so eng katholisch, wollte sich gar nicht entscheiden ...«
    »Was heißt, sie hat Sie beide rangelassen?«
    Dengler nickte. »Aber Auerberg war ja älter und kein Student, er hatte mehrere Jobs und mehr Geld als ich. Als ich aus den USA zurückgekommen bin, ist sie noch ein paarmal mit mir im Stroh gewesen, aber dann war Sense, ich war abgemeldet. Das mit der Schwangerschaft versteh ich sowieso nicht; eigentlich hat sie die Pille genommen.«
    »Die soll schon mal versagt haben. Oder man hat sie vergessen.«
    »Egal. Ich hab mich dann, noch in den Ferien, wieder aufs Studieren geworfen und mich irgendwie aus Verzweiflung verlobt.« Er grinste schief. »Mit meiner heutigen Frau. Sagen Sie’s ihr nicht. Ach, Quatsch, die weiß es sowieso.«
    Matzbach starrte auf den Boden, fast eine Minute lang. Sie standen noch immer auf dem Platz, und Dengler hatte offenbar den Appetit verloren. Schließlich sagte Baltasar:
    »Martha wäre also Ihrer Meinung nach nicht der Typ für Selbstmord aus Verzweiflung, oder?«
    Dengler grunzte. »Die? Nie! Das ist mir damals auch schon so komisch vorgekommen, aber ...« Er brach ab.
    »Sie waren frisch verlobt und wollten nichts riskieren, ja? Passen Sie mal auf; was halten Sie
davon
? Sie kriegt ein Kind, grämt sich zwar nicht sehr über das Malheur, wird aber ihren Job im katholischen Kindergarten hier verlieren. Abtreibung? Teuer, und damals mußte man dafür nach Amsterdam oder London; vielleicht will sie das Kind ja auch ganz einfach behalten. Deshalb will sie, daß der Vater des Kindes etwas tut – sie heiratet, sie alimentiert, was auch immer. Der Vater ist aber verlobt, will demnächst Examen als Jurist machen und später Karriere in der Heimat als Politiker. Unmögliche Situation für ihn. Deshalb geht er mit ihr an den See und taucht sie unter.«
    Dengler ächzte; er war blaß um die Nase. »Nichts davon ist wahr ... Trauen Sie mir so etwas zu?«
    Matzbach bleckte die Zähne. »Nach den letzten fünftausend Jahren Weltgeschichte traue ich jedem jederzeit alles zu. Sie hatten beide was mit ihr; heute sind Sie feist, Mann, aber damals konnte man Sie leicht mit Auerberg verwechseln. Auerberg hinkt; der Mann, den die Bäuerin mit Martha am See gesehen hat, hat nicht gehinkt.«
    Dengler schüttelte langsam, wie fassungslos den Kopf. »Auerberg hat damals noch nicht gehinkt. Das

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