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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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aufgewachsen und es war zu selbstverständlich für ihn, als dass ihm eingefallen wäre es zu erwähnen.
    „ So, und nun esst, denn ich glaube nicht, dass der Herr Spaß versteht, wenn es darum geht, dass Pizza kalt wird.“
    Alle nickten und griffen zu. Sandra hatte die Bestecke umsonst ausgelegt. Sie ließ erneut ihre Gabel sinken und aß ebenfalls mit den Fingern, um nicht für versnobt gehalten zu werden. Sie hoffte innig, das Gespräch würde nicht auf Religion kommen, aber da kannte sie Grant schlecht. Zwischen zwei Bissen stellte er die Frage.
    „ Bist du katholisch, Sandra?“
    Sie schluckte und blickte Hilfe suchend auf John. Doch der lächelte nur amüsiert. Wenigstens machte er sich keine Sorgen, sie könne etwas Falsches sagen, was ihr Mut machte bei der Wahrheit zu bleiben.
    „ Evangelisch.“ Sie verschwieg lieber, dass sie vor Jahren aus der Kirche ausgetreten war.
    „ Oh, na ja, das ist ja fast dasselbe heutzutage.“
    „ Aber Grant, wie kannst du so etwas sagen?“, ereiferte sich seine Frau.
    „ Mom ist ganz und gar katholisch dieser Tage“, warf John ein, und erntete einen scharfen Blick von seiner Mutter.
    Dieser Tage? Sandra fragte sich, was das wohl bedeuten mochte.
    „ Sie glaubt an Gott, Elizabeth, genau wie wir“, meinte Grant.
    Elizabeth entspannte sich. „Ja, das stimmt wohl.“
    „ Seht ihr, warum ich nie eine Frau mit nach Hause gebracht habe?“, fragte John seine Eltern, doch man konnte ihm ansehen, dass die Bemerkung nicht ganz ernst gemeint war.
    „ Ach was, wir sind doch völlig harmlos“, sagte Grant und strahlte über sein ganzes rundes Gesicht.
    Sein Haar war weiß und stoppelkurz, aber man sah, dass es die gleiche Dicke hatte wie Johns. Früher hatte er sicher eine ähnliche Statur wie sein Sohn, doch nun zeugte ein runder Bauch von einem untätigeren Leben als Rentner.
    Es entstand eine lockere Unterhaltung über die Arbeit, Johns Haus, das er von seinen Eltern übernommen hatte, und Sandra mochte diese Leute. Die merkwürdige Stimmung vom Anfang, kurz vor dem ausbrechenden Religionskrieg bei Tisch, war nicht noch einmal aufgekommen.
    Als alle zu gähnen anfingen, räumten sie den Tisch ab und gingen in ihre Zimmer. Die Eltern nächtigten im Gästezimmer gleich neben Johns Schlafzimmer. Sandra, endlich allein mit ihm, war neugierig.
    „ Wieso ist deine Mutter so katholisch, wo sie doch eine Indianerin ist?“
    John hängte seine Sachen an einen Haken an der Tür, ging zum Bett und ließ sich der Länge nach drauf fallen.
    „Phu, ein Abend mit meinen Eltern. Ich hatte vergessen, wie anstrengend das ist.“
    „ Nun sag schon“, drängte Sandra und schlüpfte unter die Bettdecke. John gesellte sich zu ihr und sie kuschelte sich an ihn, eine Hand auf seiner Brust.
    „ Meine Mutter wurde als kleines Kind von ihrer Mutter noch in die Indianerkultur eingeweiht, obwohl das damals streng verboten war. Als sie dann in eine Schule kam und entdecken musste, wie anders sie war und wie sinnlos es war dem Alten, für immer Verlorenen, nachzutrauern, schwor sie diesem Glauben ab. Sie wollte wie die Weißen leben und wie die Weißen sein. Vielleicht hat sie nur deshalb meinen Vater geheiratet, weil er weiß ist.“ Er zuckte die Achseln. „Jedenfalls klappte alles recht gut, bis sie eines Tages von den Katholiken eingefangen wurde. Sie geriet in diese Bibelgruppe und von da an machte sie uns das Leben zur Hölle.“ Er lachte leise. „Aber Dad geht ganz gut damit um und besucht sogar Messen und kirchliche Veranstaltungen mit ihr. Er ist auch katholisch und sie erzogen mich auch danach, aber er ist lange nicht so extrem wie Mom. Wir beide haben immer so einiges an ihr vorbeigeschmuggelt.“ Er lachte in sich hinein.
    „ Das heißt, er wird deiner Mutter nicht erzählen, dass er uns beim Sex gesehen hat?“
    „ Nein, das wird er nicht. Oh Gott, sie würde sofort für mich beten gehen.“
    Das Bett bebte leicht unter Johns verhaltenem Glucksen. Er befürchtete die Eltern könnten sie nebenan hören und Sandra hielt ihre Stimme ebenfalls flach. Der Isolations- und Schallwert kanadischer Häuser glich japanischen Papierwänden.
    „ Gott sei Dank. Das war das Peinlichste, was ich je erlebt habe. Ich dachte, ich müsse sterben.“
    Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Seite und kicherte.
    „ Ach was, das ist nicht so schlimm. Mein Dad hat mich früher schon mit Mädchen erwischt. Mom hat keine Ahnung, für sie bin ich ein Heiliger und mit mir stimmt was nicht, weil ich noch nicht

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