Kein König von Geburt
Schatten der Kapuze seines burgunderfarbenen Mantels. »Beachte, wie gut man durch diese nordwestliche Einkerbung zwischen hier und den hohen Türmen der Glasburg in Gloriah sehen kann ... Begreifst du, Lady Morna?«
»Sehr klug.« Die fernwahrnehmende Dame nickte. »Keine Felsformationen vorhanden, die eure Sicht auf den Feind blockieren könnten. Es freut mich, einige Beweise für Vorsicht inmitten dieser prahlerischen Zurschaustellung zu entdecken.«
Aiken grinste, ungerührt von ihrer Mißbilligung. »Alles geschieht aus Gründen der Vorsicht, Lady Morna, erkennst du das nicht?«
»Vielleicht schon«, räumte sie widerwillig ein.
»Sehen wir nach, wie weit sie mit dem großen Amphitheater sind!« schlug Mercy vor. Und schon galoppierte sie davon.
Die Gesellschaft folgte der mit Lohe befestigten Straße landeinwärts. Alte Platanen mit gefleckten Stämmen, einige von mehr als vier Metern Durchmesser, hielten Schildwacht zu beiden Seiten der pfeilgeraden traditionellen Tanu-Allee, die sich ganz hinten im Nebel verlor. Links und rechts arbeiteten Ramas an Blumenbeeten, beschnitten Büsche, kratzten Moos von den Bänken der Lauben, die bald besetzt sein sollten. Weitere kleine Affen kletterten über die Dächer der vielen mit Schlingpflanzen bewachsenen Pergolas, entfernten Wespennester, töteten vogeljagende Spinnen und vertrieben die Kolonien von Fledermäusen, die sich seit dem Großen Liebesfest des letzten Jahres im Maihain breitgemacht hatten.
Sie ritten langsamer, und schließlich ragte vor ihnen der Brennpunkt der Festlichkeiten auf. »Ein neuer Maibaum!« rief Eadnar entzückt. »Und so hoch!« Sie sprengte davon, um ihn sich anzusehen. Nach einem Augenblick des Zögerns folgte ihre Schwester Tirone ihr lachend. Sie achteten nicht auf den Regen, der sie traf, sobald sie den Schutz von Aikens PK-Blase verließen. Lässig erweiterte er den Radius des mentalen Kraftfeldes auf fast einen halben Kilometer.
»Tana sei uns gnädig!« entfuhr es Lady Morna unwillkürlich. »Du übertriffst Kuhal und Fian von der Heerschar, wenn sie die Sportarena in Muriah überdachten!«
»Was du nicht sagst!« zirpte Aiken. Er wies mit dem Kopf zu Eadnar hin, die, weit von ihnen entfernt, zusammen mit Tirone angehalten hatte und von einem der silberringtragenden Landschaftsgestalter einen kleinen Narzissenstrauß in Empfang nahm. »Schön zu sehen, daß die kleine Witwe wieder munterer ist. Vielleicht freut sie sich auf den Mai.«
Er gab Alberonn Gedankenfresser spielerisch einen mentalen Knuff, auf den der Mischling mit schicklich verschleierten Emotionen reagierte.
Morna meinte: »Meine Schwiegertochter ist jung -kaum dreiundsiebzig - und kommt über unseren tragischen Verlust leichter hinweg als ich.« Sie betrachtete einen Goldfink mit leuchtend rotem Gesicht, der auf einem Busch voller Knospen saß und süß sang. »Aber das Leben muß weitergehen.«
»Vor allem im Frühling«, sagte Aiken.
Mercy ritt ruhig neben ihm und hatte ihre Gedanken in einen glänzenden Schirm eingeschlossen. Ein heimliches Lächeln bog ihre Mundwinkel nach oben.
Sie kamen auf eine offene Stelle, die nichts als eine Wiese gewesen war, bevor Mercys Phantasie sich mit ihr befaßte. Jetzt war sie umgeformt in eine smaragdgrüne Schüssel, ein Amphitheater, das sanft zu einer ebenen Tanzfläche abfiel. Eine Schafherde weidete das Gras ab. Eine aus Erde errichtete und mit Grassoden bedeckte Bühne war von immergrünen Pflanzen eingefaßt, und dahinter erhob sich auf einem gestutzten Hügel der riesige Maibaum. Die Spitze des nackten Holzmasts verlor sich in den tiefhängenden Regenwolken. Etwa dreißig Meter links von der Stange wartete ein Lastwagen mit einer Mannschaft aus Grauen.
»Jetzt kommt meine größte Überraschung!« Aiken blinzelte Mercy zu. »Den Trumpf hatte ich die ganze Zeit im Ärmel, Etikette hin oder her.«
Eadnar und Tirone schlossen sich der Gruppe wieder an. »Das ist ein herrlicher Maibaum«, sagte Tirone. »Ich wundere mich, daß ihr einen schlanken Baum von so imposanter Höhe gefunden habt.«
»Haben wir nicht«, gestand Aiken lakonisch. »Er ist künstlich. Verstärkt. Aber das ist erst der Anfang, kreative Schwester. Hier kommt der eigentliche Knalleffekt.« Er rief in Fernsprache: Seid ihr Jungens alle bereit?
Das Arbeitsteam antwortete im Chor: Bereit, Boß!
Der Possenreißer stieg mit beschwörender Geste in die Luft. Zeltplanen flogen von dem Lastwagen und enthüllten viereckige Holzkisten. Wieder eine
Weitere Kostenlose Bücher