Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
»Drogengespräch« zu führen. In jedem einzelnen Punkt hat er mich höflich korrigiert, meinte dann, ihm sei aufgefallen, dass ich oberhalb der empfohlenen Menge von Red Bull läge und ob ich vielleicht eine gewisse Abhängigkeit entwickelt hätte? Das war das letzte Mal, dass ich versucht habe, die große Schwester zu mimen.
Wie dem auch sei. Das ist jetzt alles zu Ende, da Antony und Wanda wieder aus den Staaten zurück sind. Ich bin wieder in meine Wohnung gezogen, und wir haben angefangen, uns umzusehen, wo man sich einmieten könnte. Magnus war dafür dortzubleiben. Er meinte, wir könnten doch weiter das Gästezimmer und das Bad im oberen Stock benutzen, und wäre das nicht praktisch, denn so könnte er weiter die Bibliothek seines Vaters benutzen?
Hat er sie nicht mehr alle? Nie im Leben wohne ich mit seinen Eltern unter einem Dach.
Ich folge Felix in die Küche, wo Magnus auf einem Stuhl lümmelt, auf ein Blatt Papier deutet und sagt: »Ich glaube, hier funktioniert dein Argument nicht. Zweiter Absatz.«
Wie Magnus auch sitzt, was er auch tut, irgendwie schafft er es immer, elegant auszusehen. Seine Füße in den wildledernen Budapestern hat er auf dem anderen Stuhl, er hält eine halb gerauchte Zigarette in der Hand 17 , und er hat seine rotblonden Haare wie einen Wasserfall aus seiner Stirn gestrichen.
Die Tavishes haben alle mehr oder minder die gleiche Haarfarbe. Sie sehen aus wie eine Fuchsfamilie. Selbst Wanda färbt ihre Haare mit Henna. Doch Magnus sieht von allen am besten aus, und das sage ich nicht nur, weil ich ihn heiraten werde. Er hat Sommersprossen, wird aber auch schnell braun, und seine fast braunroten Haare sind wie aus einer Shampoowerbung. Deshalb lässt er sie lang. 18 Er ist richtig eitel, was das angeht.
Und obwohl er Wissenschaftler ist, sitzt er doch nicht den ganzen Tag drinnen und liest Bücher wie ein verstaubter Professor. Er fährt wirklich gut Ski und will es mir auch beibringen. So haben wir uns überhaupt kennengelernt. Er hatte sich beim Skilaufen das Handgelenk verstaucht und kam deshalb zur Physio, nachdem sein Arzt uns empfohlen hatte. Eigentlich sollte er zu Annalise, aber sie hat ihn gegen einen ihrer Stammpatienten getauscht, und so kam er stattdessen zu mir. In der nächsten Woche hat er gefragt, ob ich mal mit ihm ausgehen würde, und nach einem Monat hat er um meine Hand angehalten. Nach einem Monat! 19
Jetzt blickt Magnus auf und strahlt mich an. »Liebste! Wie geht es meiner Hübschen? Komm her.« Er winkt mich heran, um mir einen Kuss zu geben, dann nimmt er mein Gesicht in beide Hände, wie er es immer tut.
»Hi!« Ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Und sind deine Eltern schon hier? Wie war ihr Flug? Ich kann es kaum erwarten, sie zu sehen.«
Ich gebe mir Mühe, so eifrig wie möglich zu klingen, auch wenn meine Beine es kaum erwarten können wegzulaufen, zur Haustür hinaus, den Hügel hinunter.
»Hast du meine Nachricht nicht bekommen?« Magnus wirkt verdutzt.
»Welche Nachricht? Oh. « Plötzlich begreife ich. »Natürlich. Ich habe mein Handy verloren. Ich hab eine neue Nummer. Ich geb sie dir gleich.«
»Du hast dein Handy verloren?« Magnus starrt mich an. »Was ist passiert?«
»Nichts!«, sage ich fröhlich. »Hab’s einfach … verloren und musste mir ein neues besorgen. Keine große Sache. Kein Problem.«
Ich bin mit mir übereingekommen, dass es besser ist, so wenig wie möglich zu Magnus zu sagen. Ich werde mich auf keinerlei Diskussionen einlassen, wieso ich verzweifelt an irgendeinem Handy festhalte, das ich im Müll gefunden habe.
»Was stand denn in deiner Nachricht?«, füge ich eilig hinzu, um das Gespräch voranzubringen.
»Die Maschine meiner Eltern wurde umgeleitet. Sie mussten nach Manchester fliegen. Vor morgen kommen sie nicht nach London.«
Umgeleitet?
Manchester?
O mein Gott. Ich bin in Sicherheit! Ich habe eine Gnadenfrist bekommen! Meine Knie können aufhören zu zittern! Am liebsten würde ich Halleluja singen. Ma-an-chester! Ma-an-chester!
»Mein Gott, wie schrecklich !« Ich gebe mir Mühe, mein Gesicht zu einer enttäuschten Miene zu verziehen. »Die Ärmsten. Manchester. Das ist ja meilenweit weg! Und dabei habe ich mich doch so gefreut, sie wiederzusehen. Wie schade!«
Ich glaube, ich klinge ganz überzeugend. Felix wirft mir einen seltsamen Blick zu, aber Magnus hat das Blatt Papier schon wieder in die Hand genommen. Über meine Handschuhe hat er kein Wort verloren. Felix auch nicht.
Vielleicht kann
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