Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
mir nichts davon erzählt?«
»Wir haben uns nicht gestritten«, sagt er defensiv. »Wir haben uns eher … zer stritten.«
Zerstritten? Zerstritten?
»Zerstreiten ist schlimmer als streiten!«, heule ich entsetzt. »Es ist hunderttausend Mal schlimmer! O Gott, ich wünschte, du hättest es mir erzählt … Was soll ich jetzt tun? Wie kann ich ihnen ins Gesicht sehen?«
Ich wusste es. Herr und Frau Professor finden mich nicht gut genug. Ich bin wie dieses Mädchen in der Oper, das seinen Geliebten aufgibt, weil es so minderwertig und ungebildet ist, und dann bekommt es TB und stirbt zum Glück. Wahrscheinlich konnte das Mädchen auch »Proust« nicht richtig aussprechen.
»Poppy, beruhige dich!«, sagt Magnus irritiert. Er steht auf und nimmt mich fest bei den Schultern. »Genau deshalb habe ich dir nichts davon erzählt. Das Ganze ist Familienscheiß und hat rein gar nichts mit uns zu tun. Ich liebe dich. Wir werden heiraten. Ich werde es tun, egal, was die Leute sagen, meine Eltern oder meine Freunde oder sonst wer. Hier geht es um uns.« Seine Stimme klingt so fest. Ich entspanne mich. »Und außerdem, sobald meine Eltern etwas mehr Zeit mit dir verbringen, werden sie es sich schon anders überlegen. Das weiß ich genau.«
Unwillkürlich, wenn auch widerwillig, lächle ich.
»Braves Mädchen.« Magnus drückt mich fest an sich, und ich drücke zurück, gebe mir alle Mühe, ihm zu glauben.
Als er mich loslässt, fällt sein Blick auf meine Hände, und er runzelt die Stirn, sieht mich fragend an. »Süße … warum trägst du Handschuhe?«
Ich kriege einen Nervenzusammenbruch. Wirklich wahr.
Fast wäre das ganze Ringdebakel herausgekommen. Wäre Felix nicht gewesen, hätte es kein Entrinnen gegeben. Gerade stotterte ich mich durch meine haarsträubende Ausrede, dass ich mir die Hand verbrannt hätte, und wartete schon darauf, dass Magnus gleich misstrauisch wurde, als Felix gähnte und meinte: »Gehen wir rüber in den Pub?«, und Magnus plötzlich einfiel, dass er erst noch eine Mail verschicken musste, und keiner dachte mehr an meine Handschuhe.
Diesen Moment wählte ich, um zu gehen. Und zwar zügig.
Jetzt sitze ich im Bus, starre in die dunkle Nacht hinaus und friere innerlich. Ich habe den Ring verloren. Die Tavishes wollen nicht, dass ich Magnus heirate. Mein Handy ist weg. Mir ist, als hätte man mir alle meine Schmusedecken weggenommen, alle gleichzeitig.
Das Telefon in meiner Tasche plärrt schon wieder Beyoncé. Ohne große Hoffnung hole ich es hervor.
Natürlich ist es keine meiner Freundinnen, die anruft, um mir zu sagen: »Hab ihn gefunden!« Und es ist auch weder die Polizei noch der Concierge aus dem Hotel. Er ist es. Sam Roxton.
»Sie sind einfach weggelaufen«, sagt er ohne Umschweife. »Ich brauche dieses Handy. Wo sind Sie?«
Charmant. Kein »Vielen Dank, dass Sie mir bei meinen japanischen Geschäften geholfen haben.«
»Keine Ursache«, sage ich. »Gern geschehen.«
»Oh.« Sofort klingt er verunsichert. »Stimmt. Danke. Ich bin Ihnen was schuldig. Und wie wollen Sie mir dieses Handy jetzt zukommen lassen? Sie könnten es im Büro abgeben. Oder ich schicke ihnen einen Fahrradkurier. Wo sind Sie?«
Ich schweige. Ich werde es ihm nicht wiedergeben. Ich brauche diese Nummer.
»Hallo?«
»Hi.« Ich halte das Telefon fester und schlucke. »Die Sache ist … ich muss mir dieses Handy ausleihen. Nur für eine Weile.«
»Ach, du je …« Ich kann hören, wie er ausschnauft. »Hören Sie, ich fürchte, das Handy steht nicht für eine ›Ausleihe‹ zur Verfügung. Es handelt sich um Firmeneigentum, und ich brauche es dringend für meine Arbeit. Oder meinten Sie mit ›ausleihen‹ eigentlich, dass Sie es ›stehlen‹ wollten? Denn, glauben Sie mir, ich kann Sie aufspüren, und ich werde Ihnen bestimmt keine hundert Pfund für das Vergnügen bezahlen.«
Das denkt er? Dass ich es auf Geld abgesehen habe? Dass ich so was wie eine Handy-Napperin bin?
»Ich will es nicht stehlen!«, rufe ich entrüstet. »Ich brauche es nur für ein paar Tage. Ich habe allen Leuten diese Nummer gegeben, und es ist eine echter Notfall …«
»Sie haben was ?« Er klingt baff. »Warum sollten Sie so etwas tun?«
»Ich habe meinen Verlobungsring verloren.« Ich bringe es kaum fertig, es laut auszusprechen. »Er ist sehr alt und wertvoll. Und kurz darauf hat man mir mein Handy geklaut, und ich war völlig verzweifelt, und dann kam ich an diesem Abfalleimer vorbei, und da lag es. Im Eimer «, füge ich
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