Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
Vom Netzwerk:
einige Fensterscheiben bersten. Als er sich wieder umdrehte, erfassten ihn die Schweinwerfer eines Wagens, der die Main Street entlangkam, abbremste und dann wieder beschleunigte. Moss bog in die Adams Street ein, und der Wagen schleuderte in einer Wolke von Gummiqualm schräg über die Kreuzung und kam zum Stehen. Der Motor war ausgegangen, und der Fahrer versuchte, ihn erneut zu starten. Moss drehte sich mit dem Rücken zur Backsteinwand des Gebäudes.
Zwei Männer waren aus dem Wagen gestiegen und überquerten im Laufschritt die Straße. Einer eröffnete mit einer kleinkalibrigen Maschinenpistole das Feuer, und Moss schoss zweimal mit der Schrotflinte auf sie und humpelte dann weiter, während ihm warmes Blut in den Schritt sickerte. Auf der Straße hörte er den Wagen erneut starten.
Bis er die Grande Street erreicht hatte, war hinter ihm ein Pandämonium von Schüssen losgebrochen. Er glaubte nicht, dass er noch weiterlaufen konnte. In einem Schaufenster auf der anderen Straßenseite sah er sich dahinhumpeln, den Ellbogen seitlich gegen den Körper gedrückt, die Tasche über die Schulter gehängt, in den Händen die Schrotflinte und den ledernen Aktenkoffer, dunkel im Glas und völlig unerklärlich. Als er das nächste Mal hinsah, saß er auf dem Bürgersteig. Hoch mit dir, du Scheißkerl, sagte er. Bleib ja nicht hier sitzen und stirb. Hoch mit dir, verdammt.
Als er die Ryan Street überquerte, quatschte Blut in seinen Stiefeln. Er zog die Tasche nach vorn, öffnete den Reißverschluss, schob die Schrotflinte hinein und schloss die Tasche wieder. Wankend blieb er stehen. Dann ging er zur Brücke hinüber. Er fror, zitterte und meinte, sich übergeben zu müssen.
Auf der amerikanischen Seite der Brücke befanden sich ein Schalter und ein Drehkreuz, und er steckte einen Dime in den Schlitz, schob sich hindurch, taumelte hinaus auf die Brücke und beäugte den schmalen Fußgängerweg vor ihm. Gerade brach der Morgen an. Stumpfgrau über dem Schwemmland entlang dem Ostufer des Flusses. Gottes eigene Entfernung bis auf die andere Seite.
Auf halbem Weg begegnete er einer zurückkehrenden Gruppe. Vier Jungs, vielleicht achtzehn, ziemlich angeheitert. Er stellte den Koffer auf den Bürgersteig und zog ein Bündel Hunderter aus der Tasche. Das Geld war glitschig von Blut. Er wischte damit am Hosenbein entlang, zählte fünf Scheine davon ab und steckte den Rest in die Gesäßtasche.
Verzeihung, sagte er. An den Maschendrahtzaun gelehnt. Seine blutigen Fußabdrücke auf dem Weg hinter ihm wie Orientierungshilfen in einer Einkaufspassage.
Verzeihung.
Sie traten vom Bürgersteig auf die Fahrbahn, um ihm auszuweichen.
Verzeihung, könnten Sie mir vielleicht eine Jacke verkaufen.
Sie blieben erst stehen, als sie an ihm vorbei waren. Dann drehte sich einer von ihnen um. Was zahlen Sie denn?, fragte er.
Der da hinter Ihnen. Der mit dem langen Mantel.
Der mit dem langen Mantel war bei den anderen stehengeblieben.
Wie viel?
Ich geb Ihnen fünfhundert Dollar.
Quatsch.
Komm schon, Brian.
Gehen wir, Brian. Er ist besoffen.
Brian sah sie an, dann wandte er sich Moss zu. Zeigen Sie erst mal das Geld, sagte er.
Das hab ich hier.
Zeigen Sie her.
Geben Sie mir den Mantel.
Gehen wir, Brian.
Sie nehmen die hundert hier und geben mir den Mantel. Dann geb ich Ihnen den Rest.
In Ordnung.
Er schlüpfte aus dem Mantel und reichte ihn Moss, der ihm den Geldschein gab.
Was ist da dran?
Blut.
Blut?
Blut.
Den Geldschein in einer Hand, stand er da. Er betrachtete das Blut an seinen Fingern. Was ist mit Ihnen passiert?
Man hat auf mich geschossen.
Gehen wir, Brian. Verdammt.
Erst will ich das Geld.
Moss reichte ihm die Scheine, ließ die Tasche von seiner Schulter auf den Bürgersteig gleiten und schlüpfte mühsam in den Mantel. Der Junge faltete die Scheine zusammen, steckte sie ein und entfernte sich. Er schloss sich den anderen an, und sie gingen weiter. Dann blieben sie stehen. Sie redeten miteinander und blickten zu ihm zurück. Er schaffte es, den Mantel zuzuknöpfen, steckte das Geld in die Innentasche, schulterte die Tasche und hob den Lederkoffer. Ihr müsst weitergehen, sagte er. Ich sag’s euch nicht zweimal.
Sie drehten sich um und gingen weiter. Sie waren nur zu dritt. Er rieb sich mit dem Handballen die Augen. Er versuchte zu erkennen, wo der Vierte hingegangen war. Dann wurde ihm klar, dass es keinen Vierten gab.
Macht nichts, sagte er. Setz nur immer schön einen Fuß vor den anderen.
Als er die Stelle erreichte, wo der Fluss

Weitere Kostenlose Bücher