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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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Gemeinschaftsaktionen zur Verfügung zu stehen, und ich bin auch immer zu so Sachen wie einem Friedhofsputz gegangen. Das war in Ordnung. Die Frauen haben auf dem Gelände Essen gekocht, und natürlich war das auch Wahlkampf, aber gleichzeitig hat man was für Leute gemacht, die es nicht selber machen konnten. Wahrscheinlich könnte man jetzt zynisch sein und sagen, man hätte bloß nicht gewollt, dass sie einem nachts erscheinen. Aber ich glaube, es geht tiefer. Es hat natürlich mit Gemeinschaft zu tun und mit Achtung, aber die Toten haben mehr Ansprüche an einen, als man vielleicht zugeben möchte oder überhaupt weiß, und diese Ansprüche können wirklich sehr hoch sein. Wirklich sehr hoch. Man kriegt das Gefühl, dass sie sich gar nicht freimachen wollen. In der Beziehung hilft also jede Kleinigkeit.
Was ich da neulich von wegen den Zeitungen gesagt hob. Da haben sie letzte Woche in Kalifornien ein Pärchen entdeckt, die beiden haben Zimmer an alte Leute vermietet, sie dann umgebracht, im Garten verscharrt und ihre Sozialhilfeschecks zu Bargeld gemacht. Zuerst haben sie sie gefoltert, warum, weiß ich nicht. Vielleicht war ihr Fernseher kaputt. Und in der Zeitung stand darüber Folgendes. Ich zitiere aus der Zeitung. Da stand: Die Nachbarn wurden alarmiert, als ein Mann, der nur ein Hundehalsband trug, von dem Grundstück flüchtete. So was kann man nicht erfinden. Da kommt man im Leben nicht drauf.
Aber das hat’s gebraucht, wie Sie sehen. Das ganze Geschrei und das Gebuddel im Garten haben nicht gereicht.
Ist schon in Ordnung. Ich hab ja selber gelacht, als ich’s gelesen habe. Viel anderes kann man auch nicht tun.

Die Fahrt nach Odessa dauerte fast drei Stunden, und es war dunkel, als er dort ankam. Er hörte den Lkw-Fahrern im Funk zu. Ist der hier oben überhaupt zuständig? Was für ‘ne Frage. Woher soll ich das wissen? Wenn er sieht, wie du ein Verbrechen begehst, wahrscheinlich schon. Dann bin ich mal lieber ganz brav. Das würd ich dir auch raten, Kumpel.
An der Raststätte besorgte er sich einen Stadtplan, den er neben sich auf dem Sitz des Streifenwagens ausbreitete, während er Kaffee aus einem Styroporbecher trank. Mit einem gelben Marker aus dem Handschuhfach zeichnete er auf der Karte seine Route nach, faltete die Karte wieder zusammen, legte sie auf den Sitz neben sich, schaltete die Innenbeleuchtung aus und ließ den Wagen an.
Als er klopfte, kam Llewelyns Frau an die Tür. Während sie öffnete, nahm er den Hut ab, was ihm sofort leidtat. Sie schlug die Hand vor den Mund und griff Halt suchend nach dem Türrahmen.
Tut mir leid, Ma’am, sagte er. Ihm ist nichts passiert. Ihrem Mann ist nichts passiert. Ich wollt bloß mit Ihnen reden.
Sie lügen mich doch nicht an?
Nein, Ma’am. Ich lüge nicht.
Sie sind von Sanderson hierhergekommen?
Ja, Ma’am.
Was wollen Sie?
Ich wollte einfach mal vorbeischauen. Mit Ihnen über Ihren Mann reden.
Also, reinbitten kann ich Sie nicht. Sie würden Mama zu Tode erschrecken. Ich hol eben meine Jacke.
Ja, Ma’am.
Sie fuhren zum Sunshine Café, setzten sich in eine Nische im hinteren Teil des Raums und bestellten Kaffee.
Sie wissen nicht, wo er ist, oder?
Nein, weiß ich nicht. Das hab ich Ihnen doch gesagt.
Ich weiß.
Er nahm den Hut ab, legte ihn neben sich auf die Bank und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Sie haben nichts von ihm gehört?
Nein.
Gar nichts.
Nicht ein Wort.
Die Kellnerin brachte den Kaffee in zwei schweren Porzellanbechern. Bell rührte seinen um. Er hob den Löffel und blickte in dessen dampfende silberne Höhlung.
Wie viel Geld hat er Ihnen gegeben?
Sie gab keine Antwort. Bell lächelte. Was wollten Sie gerade sagen?, fragte er. Sagen Sie’s ruhig.
Als ob Sie das was anginge, wollt ich sagen.
Warum tun Sie nicht einfach so, als war ich nicht der Sheriff.
Und stattdessen was?
Sie wissen, dass er in Schwierigkeiten ist.
Llewelyn hat nichts getan.
Mit mir hat er auch keine Schwierigkeiten.
Mit wem dann?
Mit ein paar ziemlich üblen Leuten.
Llewelyn kann auf sich selbst aufpassen.
Haben Sie was dagegen, wenn ich Sie Carla nenne?
Ich heiße Carla Jean.
Carla Jean. Ist das in Ordnung?
Ja. Sie haben nichts dagegen, dass ich Sie weiter Sheriff nenne, oder?
Bell lächelte. Nein, sagte er. Nur zu.
In Ordnung.
Diese Leute werden ihn umbringen, Carla Jean. Die lassen nicht locker.
Er auch nicht. Das hat er noch nie.
Bell nickte. Er trank einen Schluck Kaffee. Das Gesicht, das in der dunklen Flüssigkeit im Becher waberte und schlingerte,

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