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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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erschien ihm wie ein Omen künftiger Dinge. Dinge, die ihre Form verloren. Einen mit sich rissen. Er stellte den Becher ab und sah die junge Frau an. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass das für ihn spricht. Aber ich muss leider sagen, dass ich das nicht glaube.
Tja, sagte sie, er ist nun mal so, wie er ist, und wird es immer bleiben. Deswegen hab ich ihn auch geheiratet.
Aber Sie haben schon eine ganze Weile nichts mehr von ihm gehört.
Das hab ich auch nicht erwartet.
Haben Sie Probleme miteinander?
Wir haben keine Probleme. Und falls doch, lösen wir sie.
Tja, dann sind Sie ein glückliches Paar.
Ja, das sind wir.
Sie musterte ihn. Wieso fragen Sie mich das, sagte sie.
Das mit den Problemen?
Das mit den Problemen.
Ich hab mich halt gefragt, ob Sie welche haben.
Ist irgendwas passiert, wovon Sie wissen und ich nicht?
Nein. Das Gleiche könnt ich Sie fragen.
Nur dass ich’s Ihnen nicht sagen würde.
Sie glauben doch nicht, dass er mich verlassen hat, oder?
Ich weiß nicht. Hat er?
Nein. Hat er nicht. Ich kenn ihn.
Sie haben ihn mal gekannt.
Ich kenn ihn immer noch. Er hat sich nicht verändert.
Vielleicht doch.
Aber Sie glauben das nicht.
Also, wenn ich ganz ehrlich bin, müsst ich wohl sagen, dass ich noch nie jemand gekannt oder von jemand gehört hab, den Geld nicht verändert hätte. Da wär er der Erste.
Na, dann ist er eben der Erste.
Ich hoffe, das stimmt.
Hoffen Sie das wirklich, Sheriff?
Ja. Das hoffe ich.
Und man wirft ihm nichts vor?
Nein. Man wirft ihm nichts vor.
Das heißt aber nicht, dass das auch so bleibt.
Nein. Das heißt es nicht. Wenn er so lang lebt.
Tja, noch ist er nicht tot.
Ich hoffe, das ist Ihnen ein größerer Trost als mir.
Er trank einen Schluck Kaffee und setzte den Becher ab. Er beobachtete sie. Er muss das Geld der Polizei übergeben, sagte er. Das steht dann in der Zeitung. Vielleicht lassen diese Leute ihn dann in Ruhe. Garantieren kann ich das nicht. Aber es kann sein. Es ist die einzige Chance, die er hat.
Sie könnten es doch auch so in die Zeitung setzen lassen.
Bell musterte sie. Nein, sagte er. Kann ich nicht.
Oder wollen Sie nicht.
Nein, will ich nicht. Wie viel Geld ist es denn?
Ich weiß nicht, wovon Sie reden.
Na schön.
Haben Sie was dagegen, wenn ich rauche?, sagte sie.
Ich glaube, wir sind immer noch in Amerika.
Sie holte ihre Zigaretten heraus, zündete sich eine an, wandte dann das Gesicht ab und blies den Rauch in den Raum. Bell beobachtete sie. Was meinen Sie, wie die Sache ausgehen wird?, fragte er.
Ich weiß nicht. Ich weiß nie, wie irgendwas ausgehen wird. Wissen Sie’s denn?
Ich weiß jedenfalls, wie sie nicht ausgehen wird.
Von wegen, sie lebten glücklich bis an ihr seliges Ende?
So was Ähnliches.
Llewelyn ist unheimlich gewieft.
Bell nickte. Sie sollten sich mehr Sorgen um ihn machen. Ich denke, das ist es, was ich meine.
Sie sog lange an der Zigarette. Sie musterte Bell. Sheriff, sagte sie, ich glaub, ich mach mir genauso viele Sorgen wie nötig.
Am Ende bringt er noch jemanden um. Haben Sie daran mal gedacht?
Er hat noch nie jemanden umgebracht.
Er war in Vietnam.
Als Zivilist, mein ich.
Er wird aber.
Sie gab keine Antwort.
Wollen Sie noch Kaffee?
Ich hab schon zu viel getrunken. Eigentlich wollte ich von vornherein keinen.
Sie ließ den Blick durch das Café wandern. Über die leeren Tische. Der Nachtkassierer war ein etwa achtzehnjähriger Junge, der, über die Glastheke gebeugt, eine Zeitschrift las. Meine Mama hat Krebs, sagte sie. Sie hat nicht mehr allzu lange zu leben.
Das tut mir leid.
Ich nenn sie Mama. In Wirklichkeit ist sie meine Großmutter. Sie hat mich großgezogen, und damit hab ich richtig Glück gehabt. Was sag ich. Das Wort Glück reicht gar nicht aus.
Ja, Ma’am.
Sie hat Llewelyn nie besonders gemocht. Warum, weiß ich auch nicht. Gibt keinen besonderen Grund. Er war immer gut zu ihr. Nach der Diagnose hab ich gedacht, es wär leichter mit ihr auszukommen, aber von wegen. Schwieriger ist es geworden.
Wieso leben Sie bei ihr?
Ich lebe nicht bei ihr. So dumm bin ich nicht. Das ist nur vorübergehend.
Bell nickte.
Ich muss jetzt zurück, sagte sie.
In Ordnung. Haben Sie eine Schusswaffe?
Ja. Hab ich. Sie denken wohl, ich geb nur den Köder ab.
Ich weiß nicht.
Aber denken tun Sie’s.
Ich finde, das Ganze ist einfach keine besonders gute Situation. Ich hoffe einfach, Sie reden mit ihm.
Ich muss darüber nachdenken.
Gut.
Bevor ich Llewelyn verpfeife, sterb ich lieber und leb für alle Zeit in der Hölle. Ich hoffe, Sie verstehen

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