Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
hatte einen Südstaatenakzent und klang sehr ärgerlich. »Barry, ich schwör dir’s …«
»Hier ist nicht Barry«, sagte Fleur hastig. »Miss Christie?«
»Ja.«
»Hier ist Fleur, die neue Toursekretärin von Neon Lynx.«
»Hat Barry Sie gebeten, mich anzurufen?«
»Ehrlich gesagt …«
»Macht nichts. Sie können ihm von mir etwas ausrichten.« Mit der weichen, melodischen Stimme einer echten Südstaatenlady ratterte Kissy Sue Christie einen Schwall von Obszönitäten herunter, die Barry Noy und seine Anatomie betrafen. Der Gegensatz zwischen ihrer Stimme und den geäußerten Obszönitäten war zu viel für Fleur. Sie musste plötzlich lachen. Es klang so ungewohnt wie ein lange nicht mehr gehörtes Lied.
»Machen Sie sich etwa über mich lustig?«, fragte die Stimme eisig.
»Um Himmels willen, nein. Verzeihen Sie, aber es ist schon spät, und ich bin so müde, dass ich kaum die Augen aufhalten kann. Und … Sie sprechen mir irgendwie aus der Seele. Der Mann ist …«
»… ein Ekelpaket«, schloss Kissy Sue.
Fleur lachte erneut und fasste sich schließlich. »Entschuldigen Sie, dass ich so spät anrufe. Ich handle im Auftrag.«
»Ist schon okay. Was bietet Stu mir denn dieses Mal, wenn ich rüberkomme? Bei der letzten Tournee waren es zweihundert pro Woche.«
»Er hat um fünfzig erhöht.«
»Wow, super! Zudem würde ich mir Europa gern mal ansehen, und ich hab noch Ferien. Außer South Carolina kenne ich bisher nur New York und Atlantic City, aber mal ganz ehrlich, Fleur, auf Typen wie Barry Noy kann ich gut verzichten.«
Fleur streckte sich auf dem Bett aus und dachte nach. »Wissen Sie, Kissy, vielleicht fällt uns ja noch was ein …«
Um halb sieben am nächsten Morgen kam für Fleur der Weckanruf. Und sie war fit. Sie hatte tief und fest geschlafen, wenn auch nur vier Stunden. Anders als sonst hatte sie nicht wach gelegen oder sich herumgewälzt. Kein plötzliches Herzrasen gehabt. Oder von den Menschen geträumt, die sie geliebt hatte. Sie fühlte sich …
Kompetent.
Sie sank in die Kissen zurück und überlegte. Sie hatte einen Scheißjob. Die Leute waren grässlich – eine verwöhnte, verrohte und verdorbene Bande -, trotzdem hatte sie ihren ersten Tag halbwegs erfolgreich überstanden. Sie hatte eine verdammt gute Arbeit geleistet. Sie hatten sie weder gelyncht, weil sie irgendetwas vermasselt hätte, noch eiskalt vor die Tür gesetzt. Und Barry Noy hatte sie förmlich ins Herz geschlossen, würg . Sie würde Parker Dayton schon noch beweisen …
Sie schüttelte angewidert den Kopf. Was kümmerte sie Parker Dayton? Oder Alexi, Belinda oder sonstwer? Die einzige Meinung, die sie interessierte, war ihre eigene.
Die Ankunft der Band in München verlief unglaublich hektisch, und Stu brüllte sie pausenlos an. Dieses Mal brüllte sie zurück, worauf er schmollend fragte, was er ihr denn getan hätte. Die beiden nächsten Auftritte glichen dem Konzert in Wien: Mädchen fielen in Ohnmacht, Groupies belagerten die Hotelhalle.
Kurz vor dem letzten Konzert schickte Fleur einen Wagen zum Flughafen, um die heiß ersehnte Miss Christie abzuholen, aber zu ihrem Ärger kam er leer zurück. Barry erzählte sie, das Flugzeug habe Verspätung gehabt, und dann versuchte sie die nächsten beiden Stunden verzweifelt, Kissy ausfindig zu machen. Schließlich musste sie es Stu beichten, der sie anbrüllte und meinte, sie möge Barry ihre Schlappe gefälligst selbst erklären. Nach dem Konzert.
Barry nahm es exakt so auf, wie sie erwartet hatte.
Sie beruhigte ihn mit ein paar halbgaren Versprechen, die sie vermutlich nicht würde halten können, und schleppte sich frustriert in ihr Hotelzimmer. Im Gang traf sie auf Simon Kale. Er trug eine graue Hose, ein schwarzes Seidenhemd mit offenem Kragen und eine Goldkette um den Hals. So konservativ gekleidet hatte sie ihn bislang noch nie gesehen. Trotzdem mutmaßte sie, dass er ein Springmesser in der Hosentasche trug.
Sie schlief sofort ein, wurde aber schon eine Stunde später durch einen Anruf des Hotelmanagers geweckt. Er erklärte ihr, die Gäste fühlten sich durch den Lärm auf der fünfzehnten Etage gestört. »Da ich Herrn Stu Kaplan nicht erreichen kann, wende ich mich an Sie, Madam.«
Als Fleur in den Aufzug stieg, malte sie sich bereits aus, welches Chaos sie erwarten würde. Und richtig, Herr Stu Kaplan lag neben einer leeren Flasche Brandy am Boden und schlief seinen Rausch aus. Irgendjemand hatte ihm eine Hälfte seines Bärtchens
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