Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
sie hätte rigoros einen Schlussstrich unter ihre Beziehung gezogen. Stattdessen hatte sie sich erweichen lassen, und jetzt mischte er sich erneut in ihr Leben ein.
Als er zurückkehrte, waren die weißen Rosen eingetroffen.
»Dieser Bastard«, knirschte er grimmig.
»Anscheinend hat er noch nicht mitbekommen, dass sein Plan in die Hose gegangen ist. Das ist doch immerhin positiv.«
»Dein Wort in Gottes Ohr.« Er nahm den Hörer und wählte eine Nummer. »Michel, ich bin’s, Jake. Ich fahre gleich mitsamt dieser Wahnsinnsfrau und deiner Kollektion ins Hotel. Dann erzähle ich dir alles.«
»Mach dir keine Mühe«, sagte sie, nachdem er aufgelegt hatte. »Das schaff ich schon allein.«
»Witzbold.«
Als die Fahrer kamen, überprüfte Jake sie zunächst auf Herz und Nieren. Er beaufsichtigte das Aufladen der Kleiderstangen, fuhr mit ins Hotel. Und ließ Fleur keine Sekunde lang aus den Augen, eine Hand demonstrativ in die Jackentasche seines Parka geschoben. Es dauerte nicht lange, bis das Hotelpersonal ihn erkannte und mit Autogrammwünschen bestürmte. Fleur war sich bewusst, wie sehr er einen solchen Rummel um seine Person hasste, trotzdem blieb er, bis alles abgeladen war.
Danach sah sie ihn eine ganze Weile nicht mehr. Vielleicht war er wieder nach Hause gefahren, überlegte sie. Irgendwann entdeckte sie ihn jedoch in der Deckung des Treppenaufgangs, eine Baseballkappe tief in seine Stirn gezogen. Ein anderes Mal lungerte er am Personaleingang herum. Seine Präsenz war irgendwie tröstlich, fand sie und schalt sich mental eine unverbesserliche Idiotin.
In dem ganzen Chaos strahlte sie Zuversicht und Souveränität aus, obwohl sie sich am liebsten in eine Ecke verkrümelt hätte. Gleichwohl hing von den nächsten Stunden alles ab. Die Nachfrage nach Einladungen war so immens gewesen, dass die Modenschau am Nachmittag gleich zweimal gezeigt werden würde. Jedes Mannequin hatte einen eigenen Kleiderständer mit den Sachen, die es vorführen würde. Hinzu kamen die entsprechenden Accessoires. Da nur wenig Zeit blieb, musste alles in Lichtgeschwindigkeit organisiert werden. Auf der Jagd nach fehlenden Accessoires und vertauschten Schuhen schossen böse Blicke in Fleurs Richtung. In der Zwischenzeit filmte ein Kamerateam die Kollektion für interessierte Boutiquen und Kaufhäuser.
Eine Stunde vor Beginn der ersten Show zog Fleur das mitgebrachte Kleid an. Es war eines der ersten Modelle, die Michel für sie entworfen hatte – kirschrot mit tiefem Ausschnitt und geschlitzt vom Knie bis zum Knöchel. Aus winzigen Perlen aufgestickte Schmetterlinge schmückten eine Schulter und ihre roten Seidenpumps.
Blass und abgespannt tauchte Kissy in ihrer Garderobe auf. »Das war die blödeste Idee aller Zeiten. Das pack ich nie. Ich glaube, ich hab Fieber. Oder eine Grippe. Ganz bestimmt.«
»Du hast Schmetterlinge im Bauch. Atme mehrmals tief durch, dann geht es dir wieder besser.«
»Von wegen Schmetterlinge im Bauch, Fleur Savagar! Das sind lauernde Geier!«
Fleur umarmte sie, dann mischte sie sich unter das Publikum in dem festlich erleuchteten Ballsaal. Nachdem sie mit sämtlichen Modejournalisten geplaudert und für die Fotografen posiert hatte, waren ihre Fingerspitzen taub vor Nervosität. Sie setzte sich auf den für sie reservierten Stuhl am Rand des Laufstegs und drückte Charlie Kincannons Hand.
Er neigte sich zu ihr und flüsterte: »Nach dem, was ich so mitbekommen habe, finden die Leute Michels Kreationen froufrou . Kannst du dir darunter etwas vorstellen?«
»Hmmm … ja. Bei Michel sehen Frauen wieder weiblich aus, und die Modewelt weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Trotzdem sind alle hergekommen.« Sie wünschte, sie wäre zuversichtlicher, indes bestand immer das Risiko, dass junge, neue Designer von den einflussreichen Modezaren in der Luft zerrissen wurden. Michel bewegte sich auf dünnem Eis. Die Reporterin von Women’s Wear Daily fixierte sie ungnädig. Jetzt begriff Fleur, was Kissy mit lauernden Geiern gemeint hatte.
Es wurde dämmrig im Saal, ein schwermütiger Blues ertönte. Fleur grub die Fingernägel in die Handballen. Dramatisch inszenierte Couture-Schauen waren genauso out wie Rüschen und Spitze. Der Trend lautete strenge Schlichtheit bei Catwalk, Mannequins und Mode. Wieder einmal schwammen sie gegen den Strom, und das war ihre Idee gewesen. Sie hatte Michel zu diesem Wahnsinn überredet.
Die Unterhaltung im Ballsaal verebbte. Die Musik wurde lauter, und die Scheinwerfer
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