Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
waren rotgerändert, sein Kinn mit dunklen Stoppeln übersät. Er schien nonstop durchgearbeitet und überhaupt nicht geschlafen zu haben. »Ich mag mit niemandem reden«, sagte er. »Halt mir alle vom Leib, ja?«
Sie versuchte ihr Bestes und wimmelte seinen Manager ab, seinen Anwalt und einen Haufen Sekretärinnen. Allerdings konnte ein Prominenter wie Jake nicht spurlos vom Erdboden verschwinden, und nach fünf Tagen, als die Anrufer aggressiver wurden, rief sie kurzerhand Dick Spano an. »Ich hab von Jake gehört«, sagte sie. »Er hat wieder zu schreiben begonnen und sich für eine Weile zurückgezogen.«
»Ich muss unbedingt mit ihm sprechen. Ich hab da eine dringende Sache für ihn. Sag mir, wo er ist.«
Sie tippte mit dem Füller auf ihren Schreibtisch. »Ich glaube, er ist in Mexiko. Genaueres wollte er mir nicht sagen.«
Dick fluchte und bombardierte sie mit einer langen Liste von Fragen, mit denen sie Jake bei seinem nächsten Anruf löchern sollte. Sie schrieb alles auf und steckte den Zettel in die Tasche.
Der Oktober verging, und auch im November, als Michels Modenschau näher rückte, hielten sich die Geschichten über Fleurs Vertragsbrüchigkeit hartnäckig. Zu allem Überfluss wurden ihr die ausgedachten Geschichten, die sie gegen Ende des Sommers über sich und Jake verstreut hatte, negativ ausgelegt. Böse Zungen behaupteten, Fleur Savagar sei ein abgehalftertes Model, das sich über Bettgeschichten eine Agentur aufbaute. Neue Klienten blieben aus, nachts schlief sie schlecht und wachte von Jakes Gehämmere auf der Schreibmaschine auf. Jeden Morgen ging sie zu ihm, und nach einer Weile wirkten beide gleichermaßen abgespannt und ausgepowert.
In dem Hotel, wo Michels Show stattfinden sollte, geisterte sie hektisch zwischen Technikern und Handwerkern umher und machte alle verrückt mit ihrem Sicherheitswahn. Selbst Kissy brachte sie damit auf die Palme. Gleichwohl hing von Michels erster Kollektion dramatisch viel ab, und Alexi blieben noch knapp vierundzwanzig Stunden für einen weiteren Racheakt. Fleur rief Michel in Astoria in der Schneiderei an, um sich zu vergewissern, ob der Sicherheitsdienst kompetent seinen Job erledigte.
»Ja, ja, die Leute schieben draußen Wache«, begütigte er sie.
Als sie auflegte, atmete sie tief durch. Sie hatte eines der renommiertesten Security-Unternehmen beauftragt. Blieb bloß zu hoffen, dass die Jungs ihre Arbeit anständig machten.
Willie Bonaday griff in die Jackentasche seiner Uniform und zog eine Rolle Drops heraus. Manchmal kaute er aus Langeweile einen nach dem anderen, bis seine Schicht endete. Er machte den Job jetzt seit einem Monat, und heute Abend war sein letzter Dienst. Willie fand, dass wegen der paar Kleider eine Menge Aufwand betrieben wurde. Aber solange er sein Geld bekam, konnte ihm das herzlich egal sein.
Die vier Wachleute, die jeweils in einer Schicht arbeiteten, hatten den Laden komplett unter Kontrolle. Willie saß im Foyer der alten Fabrik in Astoria, Andy, sein Partner, schob am Hintereingang Wache, und zwei jüngere Männer patrouillierten in der zweiten Etage, wo die Kleider in einem verschlossenen Raum lagerten. Am kommenden Morgen würden die Jungs von der Tagschicht die großen Kleiderständer auf der Fahrt ins Hotel bewachen. Am Abend wäre der Job vorbei.
Vor ein paar Jahren hatte Willie als Bodyguard für Reggie Jackson gearbeitet. Personenschutz lag ihm mehr als ein Haufen alberner Fummel. Er schnappte sich die Daily News . In den Sportteil vertieft, registrierte er nicht, dass ein verbeulter ockergelber Kleinlaster mit der Aufschrift BULLDOG ELECTRONICS am Eingang vorbeifuhr.
Der Mann in dem Van bog in eine Auffahrt und verschwendete keinen Blick auf die Fabrik. Brauchte er auch nicht. Er war in der vergangenen Woche jeden Abend dort vorbeigefahren, immer mit einem anderen Fahrzeug, und kannte sich inzwischen bestens aus. Er kannte die Gesichter der Wachmänner und wusste, dass die Kleider in einem verschlossenen Raum in der zweiten Etage aufbewahrt wurden. In ein paar Stunden würde die Nacht- von der Tagschicht abgelöst werden, die dämmrige Beleuchtung blieb die ganze Nacht über an – und das war das einzig Entscheidende für ihn.
Das Lagerhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand seit Jahren leer, der rostige Riegel am Hintereingang war ein Klacks für den Bolzenschneider. Er schleppte einen schweren Werkzeugkasten aus dem Laster. Sobald er im Lagerhaus war, knipste er die Taschenlampe an und
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