Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
abgenommen und gestikulierte ihr, den dritten Anruf anzunehmen.
Sie meldete sich unsicher. Es war der Manager des Münchner Hotels, in dem die Gruppe für die nächste Nacht gebucht hatte. Er erklärte Fleur, ihm seien Gerüchte zu Ohren gekommen von der Verwüstung zweier Hotelsuiten in London. Bedauerlicherweise müsse er sie deshalb informieren, dass Neon Lynx in seinem Hotel nicht mehr willkommen sei. Sie legte eine Hand auf die Sprechmuschel und schilderte Stu, was passiert war.
Innerhalb von Sekunden realisierte sie, dass sich der sympathische Stu Kaplan aus dem Café um dreihundertsechzig Grad gedreht hatte. »Verdammte Hacke, erzähl ihm, es wär Rod Stewart gewesen! Benutz dein Hirn, Mädel, und lass mich mit solchem Kleinscheiß in Ruhe.« Er knallte ihr ein Klemmbrett in die Finger. »Geh die Arrangements mit ihm durch, solange du ihn in der Leitung hast. Überprüf alles, und dann checkst du es noch mal.«
Der Schreck fuhr ihr in sämtliche Glieder. Sie packte das nicht, nie im Leben! Sie konnte nicht mit jemandem zusammenarbeiten, der sie pausenlos anschrie und Dinge von ihr erwartete, von denen sie keine Ahnung hatte. Parker Daytons herablassendes Lächeln signalisierte ihr: Siehst du, das hab ich dir ja gleich gesagt! Als sie sich abwandte, erhaschte sie einen Blick auf ihr Spiegelbild. Der Spiegel hing über dem Sofa und hatte in etwa die gleiche Größe wie die Fotos, die Belinda an den Wänden in ihrem New Yorker Apartment aufgehängt hatte. Diese überdimensionierten, bestechend schönen Aufnahmen hatten keinerlei Ähnlichkeit mit dem teigigen, angespannten Mondgesicht, das ihr da entgegenblickte.
Ihre verschwitzte Hand umkrampfte den Hörer. »Tut mir leid, dass Sie warten mussten, aber Neon Lynx hatte damit absolut nichts zu tun«, meinte sie mit seltsam dünner, gepresster Stimme. Sie atmete tief durch und verklickerte ihm in epischer Breite eine Charakterstudie von Rod Stewart. Als sie damit fertig war, ging sie die Zimmerreservierungen auf dem Klemmbrett durch und checkte die Details hinsichtlich Gepäck und Verpflegung. Als der Manager die Anweisungen bestätigte, begriff sie, dass sie ihn mit ihren Argumenten überzeugt hatte. Zumindest für den Anfang konnte sie mit sich zufrieden sein. Fleur klopfte sich mental auf die Schulter.
Kaum hatte sie aufgelegt, klingelte es erneut. Einer der Roadies war mit Drogen erwischt worden. Diesmal war sie auf Stus Ausraster gefasst.
»Verdammt und zugenäht, bist du denn völlig blöd?« Er schnappte sich sein Jackett. »Du bleibst hier, während ich diesen Idioten aus dem Knast hole. Und ich sag dir schon mal eins … Hoffentlich sprechen diese hinterfotzigen Polizisten Englisch.« Er drückte ihr ein weiteres Klemmbrett in die Finger. »Hier ist der Zeitplan und was noch erledigt werden muss. Kümmere dich darum, dass die Bühnenausweise für die VIPs gestempelt werden, und ruf in München an, damit der Transport vom Flughafen klargeht. Das letzte Mal hatten wir zu wenig Fahrzeuge. Und check den Charterflug von Rom. Sie sollen uns einen Back-up geben.« Noch in der Tür blaffte er ihr Anweisungen zu.
Sie führte acht weitere Telefonate und diskutierte eine geschlagene halbe Stunde mit den Fluglinien, bevor sie merkte, dass sie noch ihren Parka trug. Parker Dayton erkundigte sich scheinheilig, ob sie noch nicht genug hätte. Sie mahlte mit den Zähnen und erklärte ihm, dass sie den Job grandios fände. Erst als er weg war, sank sie in einen Sessel. Parker würde die Tour in drei Tagen verlassen, um nach New York zurückzufliegen. So lange musste sie durchhalten. Drei Tage.
Zwischen zwei Anrufen nahm sie sich ein paar Minuten, um sich das Werbematerial einzuprägen, und als der Leadgitarrist von Neon Lynx hereinschlurfte, wusste sie auf Anhieb, dass er Peter Zabel hieß. Er war Anfang zwanzig, klein und drahtig, mit welligen, schulterlangen schwarzen Haaren. Im rechten Ohrläppchen trug er einen riesigen Diamanten und einen Stecker mit einer langen, weißen Feder. Er bat sie, seinen Broker in New York anzurufen, weil er sich Sorgen mache wegen seines Kupfer-Investments.
Nach dem Telefonat warf er sich auf die Couch und legte die Füße auf den Kaffeetisch. Seine Stiefel hatten fünf Zentimeter dicke Acrylsohlen mit eingegossenen Goldfischen. »Ich bin der Einzige in der Band, der für die Zukunft vorsorgt«, meinte er. »Die anderen Typen glauben, dass das hier ewig so weitergeht, aber das ist bescheuertes Wunschdenken. Deshalb baue ich mir ein
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