Kein Opfer ist vergessen
nicht.«
Wir gingen hinaus zu seinem Wagen. Havens ließ den Kofferraum aufschnappen. Auf dem Boden befanden sich drei stabile Kartons. Ich hob einen heraus. Er war schwer. An der Seite standen in Leuchtschrift Namen, Daten und Fallnummern.
»Ich war fleißig.« Havens grinste.
»Scheint so. Was ist da drin?«
»Am besten, wir bringen alles ins Haus.«
Wir schleppten die Kartons in mein Wohnzimmer.
»Hat Sarah dir von ihrer Materialsichtung erzählt?«, erkundigte ich mich.
»Sie hat gesagt, das meiste war mit schwarzen Balken unkenntlich gemacht worden. Was war mit den Cops, die dich angehalten haben?«
Ich schilderte ihm den Zwischenfall. Havens hörte aufmerksam zu.
»Da macht sich jemand Sorgen«, sagte er.
»Exakt meine Meinung.«
Er klappte einen Karton auf und holte Akten heraus.
»Was sind das für Akten?«, fragte ich.
»Hast du schon mal was von V i CAP gehört?«
»Nein.«
»Es steht für Violent Crimes Apprehension Program und ist ein Computerprogramm des FBI , mit dem Gewaltverbrechen analysiert und kategorisiert werden.«
»Und welche Kategorien sind das?«
»Alles Mögliche. Typen, die ihre Opfer fesseln. Leute, die ein Messer benutzen oder einen Strick. Andere Kategorien versammeln die Formen sexueller Übergriffe. Mit V i CAP wird die Signatur eines Verbrechens identifiziert und mit ähnlichen Fällen verglichen, sodass die Polizei nach Mustern suchen kann.«
»Und zu diesem Programm hast du Zugang?«
»Nein, aber einer meiner Juraprofs in Chicago. Ich musste ihm nur sagen, dass ich die Knalltüten von Evanston mal vorführen will.« Havens zwinkerte mir zu. »Also habe ich den Fall Harrison durch das System laufen lassen. War ziemlich interessant.«
Havens zog einen Laptop aus einem Karton und schaltete ihn ein. »Ich habe alle Details eingegeben, die mir eingefallen sind. Alter des Opfers. Entführung. Schule. Wassernähe. Strangulierung, Ertränken. Hinweis auf ein Messer.«
»Und?«
»Dann habe ich mich auf die Region Chicago und Umgebung konzentriert. Und den Zeitraum auf fünf Jahre rund um den Fall Wingate abgesteckt.«
Ich hatte einen schweren Kopf, und Havens machte mich so kribbelig, dass ich wünschte, er würde allmählich mal zum Punkt kommen. Aber der Jurist in ihm pochte offenbar auf methodisches Vorgehen.
»Die fünf Jahre habe ich gewählt, weil ich sie für einen sinnvollen Zeitrahmen halte, in dem ein Mörder aktiv ist. Wenn du dir die Forschungsergebnisse über den Großteil der Serientäter –«
»Jake, was hast du herausgefunden?«
Havens deutete auf zwei leuchtend hervorgehobene Fallnummern eines Dokuments, das er auf seinem Laptop geöffnet hatte. »Zwei Fälle aus den beiden Jahren vor Wingates Tod.«
»Von wann genau?«
»Pass auf.« Havens griff in einen Karton und zog eine Mappe mit einem grünen Reiter daran heraus. Am Deckblatt haftete das Foto eines lächelnden Jungen in Baseball-Kluft. »1996. Billy Scranton aus Indiana. Mit zwölf Jahren von zu Hause ausgerissen. Man hat ihn halb vergraben in dem Naturschutzgebiet gefunden. Vielleicht eine Meile von Skylars Grab entfernt. Er war ertränkt und möglicherweise stranguliert worden.«
Vor mir fiel die nächste Mappe auf den Tisch. Diesmal steckte am Deckel der verschwommene Schnappschuss eines schwarzen Jungen.
»1997. Richmond Allen. Vierzehn Jahre alt. Auch von zu Hause abgehauen. Er wurde in einem Waldgebiet im Süden Chicagos entdeckt. Zwanzig Meilen von Caldwell-Woods entfernt, aber nahe einem See. Hatte einen Strick um den Hals. Genau wie Skylar. Und Wasser in der Lunge.«
»Und kein Mensch hat die Fälle je miteinander in Verbindung gebracht?«
Havens schüttelte den Kopf.
»Sind sie noch immer ungelöst?«
»An der Stelle wird’s interessant.« Havens öffnete den nächsten Karton und holte einen Stapel Mappen mit roten Reitern heraus. Woher hatte er das Zeug? Und wann hatte er die Zeit für seine Recherche gefunden?
»Beide Fälle wurden ›gelöst‹.« Havens malte mit zwei Fingern jeder Hand Anführungszeichen in die Luft. »Denk dran, dass die DNA -Analyse damals noch in ihren Anfängen steckte. Ein äußerst schwieriges Unterfangen. Kostspielig. Noch nicht ganz eindeutig.«
»Also wurde in keinem der Fälle eine angefordert.«
»Richtig. Im Fall Scranton hat man den Täter anhand von Fasern überführt, die angeblich von seinen Wagensitzen und seinem Jackett stammten. Ungefähr wie bei Wayne Williams, einem Mörder aus Atlanta.«
»Ich weiß, wer Wayne Williams
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