Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
Handy nachzusehen, ob er eine SMS geschickt hatte, und zu grübeln, ob sie ihn anrufen sollte. Sie ging zwar zum Unterricht und schrieb mit, hätte aber hinterher schwer sagen können, worüber ihre Dozenten gesprochen hatten.
Zwischen den Kursen, auf dem Weg von einem Gebäude zum anderen, rief sie sich Marcias Worte ins Gedächtnis und musste sich eingestehen, dass ihre Theorie durchaus logisch klang. Dennoch ließ die Erinnerung an Lukes Verhalten Sophia keine Ruhe. Was war das gewesen, Wut? Aggressivität? Sie war nicht sicher, ob diese Worte es trafen, aber sie hatte eindeutig das Gefühl gehabt, er wollte sie von sich wegstoßen.
Warum lief alles, nachdem es so lange so angenehm und leicht gewesen war, plötzlich völlig falsch?
Am besten rief sie Luke einfach an und ging der Sache auf den Grund, entschied Sophia. An seinem Tonfall würde sie sofort merken, ob sie nur überreagierte.
Sie griff in die Handtasche und holte ihr Handy heraus, doch gerade als sie wählen wollte, wanderte ihr Blick zufällig quer über den Platz, auf dem das vertraute Kommen und Gehen herrschte. Studenten mit Rucksäcken, einer mit dem Fahrrad auf dem Weg wohin auch immer, eine Besichtigungsgruppe, die neben dem Verwaltungsgebäude innegehalten hatte. Und etwas weiter entfernt, unter einem Baum, ein Pärchen.
Nichts daran war ungewöhnlich, dennoch erregte diese Szene aus irgendeinem Grund Sophias Aufmerksamkeit, und sie ließ das Handy sinken. Sie konzentrierte sich auf das Paar. Die beiden lachten, die Köpfe dicht zusammengesteckt, die Hand der Frau lag zärtlich auf dem Arm des Mannes. Selbst aus der Ferne war zu merken, dass es zwischen ihnen knisterte. Sophia spürte es beinahe, aber sie kannte ja auch beide. Was sie da sah, war eindeutig mehr als eine enge Freundschaft. Was sich bestätigte, als die zwei sich küssten.
Sophia konnte den Blick nicht abwenden, jeder Muskel in ihrem Körper war angespannt.
Soweit sie wusste, war er lange nicht in ihrem Wohnheim gewesen, und sie hatte auch nicht gehört, dass ihre Namen je gemeinsam genannt wurden. Was wiederum bedeutete, dass beide bisher versucht hatten, es geheim zu halten – nicht nur vor ihr, sondern vor allen.
Aber Marcia und Brian?
Das würde ihre Mitbewohnerin ihr doch nicht antun, oder? Zumal sie doch wusste, wie Brian mit ihr umgegangen war?
Jetzt im Nachhinein fiel ihr ein, dass Marcia ihn in den vergangenen Wochen einige Male erwähnt hatte. Und hatte sie nicht sogar zugegeben, dass sie immer noch Kontakt mit ihm hatte? Was hatte Marcia gleich über Brian gesagt, selbst als er Sophia noch nachlief? Er ist witzig und gut aussehend und reich – was gibt es daran nicht zu mögen? Mal ganz abgesehen davon, dass er früher, bevor er Sophia kennenlernte, etwas für sie »übriggehabt« hatte, wie Marcia gern berichtete.
Es sollte Sophia egal sein. Sie wollte mit Brian nichts zu tun haben, es war schon lange vorbei. Marcia konnte ihn von ihr aus haben. Doch als Marcia den Blick in Sophias Richtung wandte, stiegen Sophia unerklärlicherweise die Tränen in die Augen.
» I ch hätte es dir bald erzählt«, sagte Marcia untypisch kleinlaut.
Sie waren in ihrem Zimmer, und Sophia stand mit verschränkten Armen am Fenster.
»Wie lange geht das schon mit euch?«
»Nicht lange«, sagte Marcia. »Er hat mich in den Weihnachtsferien zu Hause besucht und –«
»Warum gerade er? Du weißt schließlich, wie weh er mir getan hat.« Sophias Stimme fing jetzt doch zu zittern an. »Du bist angeblich meine beste Freundin.«
»Es war ja nicht geplant –«
»Aber es ist trotzdem passiert.«
»Du warst jedes Wochenende weg, und ich hab ihn immer auf den Partys getroffen. Und dann haben wir uns unterhalten. Meistens über dich ...«
»Willst du damit sagen, dass es meine Schuld ist?«
»Nein. Niemand hat Schuld. Ich wollte nicht, dass es passiert. Aber je mehr wir geredet und uns kennengelernt haben ...«
Den Rest von Marcias Erklärung blendete Sophia aus. Ihr Magen hatte sich so fest zusammengezogen, dass es schmerzte. Als es im Raum still wurde, sagte sie so beherrscht wie möglich: »Du hättest es mir sagen müssen.«
»Hab ich ja. Ich habe dir erzählt, dass wir miteinander reden. Und ich habe angedeutet, dass wir befreundet sind. Mehr war es bis vor ein paar Wochen nicht. Ehrlich.«
Sophia drehte sich zu ihrer besten Freundin um, und in diesem Moment hasste sie sie. »Das ist einfach falsch, in jeder Hinsicht.«
»Ich dachte, du bist über ihn hinweg«,
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