Kein Schatten ohne Licht
nicht dein hoffnungsloses Klein-Mädchen-Geschwätz!“
Hilfesuchend blickte Melica zu Isak, doch nicht einmal er schien irgendetwas zu ihrer Verteidigung sagen zu wollen. So blieb ihr nichts anderes übrig, als entschuldigend mit den Achseln zu zucken.
„ Nachdem das geklärt ist“, sagte Gregor laut. „Jane, Tizian und Stefan – es ist zwar außerordentlich unintelligent, nach Djerba zu reisen, doch es wäre noch unintelligenter, noch mehr Zeit totzuschlagen. Wenn wir uns nicht vorsehen, revanchiert sich die Zeit schon bald dafür und zerschlägt stattdessen uns. Doch bevor dies passiert, macht euch bitte auf den Weg. Gebt gut auf euch Acht. Wenn ihr in die Situation geratet, wählen zu müssen, ob ihr einen Menschen rettet oder nicht, weil ihr euch damit selbst in Lebensgefahr begeben würdet – entscheidet euch stets gegen den Menschen. Kein Wesen dieser Welt ist es wert, dass ihr euer Leben für ihn auf das Spiel setzt. Vergesst das nie.“
Als sich die Angesprochenen mit einem Nicken daran machten, zu gehen, erhob sich Melica ebenfalls von ihrem Stuhl. Dass sie damit nur allgemeines Unverständnis erntete, hinderte sie nicht im Geringsten daran, ihrer Mutter und den anderen beiden Dämonen aus dem Raum zu folgen.
Während Tizian und Jane sie dabei völlig ignorierten, verlangsamte Isak seinen Schritt, sodass er direkt neben ihr hergehen konnte. „Hast du nicht gehört, was Jonathan gesagt hat?“, erkundigte er sich besorgt.
„ Ich mag vieles sein, aber ich bin nicht taub“, antwortete Melica trocken. „Ich weiß, wie Jonathan dazu steht. Aber dies ist nicht sein Kampf. Ich allein muss mich entscheiden. Und das habe ich. Ich werde helfen. Da kann Jonathan sagen, was er will.“
Isak sah nachdenklich aus, sagte aber nichts dazu. Schweigend schritten die Vier durch das Antrum. Hin und wieder begegneten sie jemandem, nickten zur Begrüßung, aber die Stimmung blieb gereizt, düster und ließ sich nicht verdrängen.
„ Wo warten die anderen auf uns, Tizian?“, fragte Isak irgendwann.
„ Ich habe jedem, der mitkommen will, gesagt, dass wir in den Speisesaal kommen werden, sobald wir fertig sind.“
„ Könntest du dann bitte mit Jane vorgehen und die anderen Freiwilligen abholen? Melica und ich müssen noch etwas erledigen.“
Bevor Tizian auch nur die Gelegenheit hatte, zu antworten, hatte Isak Melica auch schon am Arm gepackt und sie davongezogen.
~*~
Eine Tür. Groß. Schwer. Von einer abgenutzten, leicht braunen Farbe. Absolut nichtssagend. Melica hätte ebenso eine chemische Formel für atomaren Verfall betrachten können. „Was suchen wir hier?“
Melica wusste nicht, warum, doch irgendetwas an ihrer Frage zauberte Isak ein Lächeln aufs Gesicht, zwar nur ganz kurz, fast schon scheu, aber doch war es da gewesen, da war sie sich sicher.
„ Klopf doch einfach an“, schlug Isak vor und deutete mit einem Kopfnicken auf die Tür.
Misstrauisch starrte Melica ihn an. Es war ganz unüblich für ihren Onkel, einer Frage einfach so auszuweichen. „Dahinter warten aber keine dreiköpfigen Drachen auf mich, oder?“
„ Ohne Risiko, kein Abenteuer, antwortete Isak mit einem ironischen Grinsen. „Ich werde hier auf dich warten. Lass dir ruhig Zeit. Ich bin schon einmal auf Djerba gewesen – für den Flug werden wir nicht länger als zwei Stunden brauchen.“
„ Also doch ein Drache“, flüsterte Melica mehr zu sich selbst als zu irgendjemandem sonst und klopfte an die Tür.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich Isak mit einem Grinsen auf den Boden setzte und die Beine übereinanderschlug. Melica hätte sich jetzt natürlich darüber aufregen können, dass Isak selbst in solch Ausnahmesituationen wie dieser wie ein Kindergartenkind aussah, aber irgendwie hatte auch das mit der Zeit seinen Reiz verloren. So wartete sie mehr oder weniger geduldig darauf, dass die Tür aufgezogen wurde, damit sie verstand, was sie hier überhaupt suchte.
Als hätte irgendeine höhere Macht plötzlich beschlossen, Melicas Wünsche nicht länger stur zu ignorieren, öffnete sich die Tür tatsächlich. Und Melica sah. Nun, es war schon mal kein dreiköpfiger Drache.
„ Jetzt bin ich aber enttäuscht“, platzte es aus ihr heraus.
„ Das bekomme ich oft zu hören.“ Der Sarkasmus in Jonathans Stimme war ungewohnt und wahrscheinlich gerade deshalb unüberhörbar. „Möchtest du hereinkommen?“
„ Nein du, eigentlich nicht“, erwiderte Melica mit einem falschen Lächeln. Dann wandte sie sich an Isak
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