Kein Schatten ohne Licht
gebe Ihnen recht. Zane Sarcone ist ein exzellenter Stratege. Wenn wir diese Menschen ohne herausragende Verluste retten wollen, benötigen wir seine Hilfe.“
Darauf wusste Melica nichts zu sagen. Was denn auch? Ihm widersprechen konnte sie da wohl kaum und das Wissen, dass sie ihm öffentlich recht gab, gönnte sie ihm einfach nicht.
Genau wie sie, verloren auch die anderen Anwesenden in diesem Raum kein Wort. Eisernes Schweigen senkte sich wie ein klebriger Schleier über Gregors Büro. Es war seltsam. Obwohl ein jeder von ihnen kaum still sitzen konnte, weil die Gedanken in ihren Köpfen einfach zu laut waren und endlich herausplatzen wollten, wechselten sie kein einziges Wort miteinander. Zeigte dies nicht mehr als deutlich, wie kaputt ihre Gemeinschaft in Wahrheit doch war?
Sie passten alle gar nicht zueinander, hatten nichts gemeinsam und sollten doch zusammenarbeiten. Da saß zum Beispiel Isak, der mit seinen Locken und seinem freundlichen Gesicht in etwa so bedrohlich aussah wie ein Hamster und sich auch genauso verhielt.
Daneben Renate, eine runde, altertümliche Frau, die angsteinflößend streng war und die Gregor so auffällig vergötterte, dass Melica bis gestern ihren linken Zeh darauf verwettet hätte, dass Renate ihm niemals widersprechen würde. Und doch hatte sie es getan.
Direkt neben ihr lehnte Yvonne an der Wand und obwohl sie nicht lächelte, strahlte sie noch immer diese unbändige Lebensfreude und Güte aus, die sie nur in den seltensten Fällen und nur dann ablegte, wenn sie wie eine Löwin gegen die größten Ungerechtigkeiten ankämpfte.
Gegen sie wirkte Jane wie ein schwarzes Loch mit ihrem sorgfältig geschminkten Gesicht, das rein gar nichts aussagte, außer einer abgrundtiefen Abneigung gegen alles hier im Antrum. Sie wirkte vollkommen unbesorgt, es fehlte nur noch, dass sie ihre Feile herausholte und damit begann, ihre Fingernägel zu bearbeiten.
Jonathan hingegen stand die Angst förmlich auf die Züge geschrieben. Er zitterte leicht und strich sich im Sekundentakt das Haar aus der Stirn, das, wie Melica spöttisch bemerkte, natürlich wie immer perfekt saß. Anfangs war sie ja davon überzeugt gewesen, dass Jonathan die männliche Version ihrer Mutter darstellte, aber mit der Zeit wurde ihr immer deutlicher bewusst, wie falsch sie doch damit lag. Eigentlich waren sie sogar von Grund auf verschieden. Jane behandelte andere schlecht, weil sie viel zu sehr von sich selbst überzeugt war. Jonathan behandelte andere schlecht, weil er eben viel zu wenig von sich überzeugt war.
Melica seufzte leise, lehnte sich zurück. Sie hasste es, untätig herumsitzen und warten zu müssen. Kein Wunder, dass dann so unfassbar intelligente Psychoanalysen zustande kamen.
Endlich öffnete sich die Tür und Tizian betrat den Raum. Er kam direkt vor Gregors Schreibtisch zum Stehen. „Ich habe jeden gefragt, den ich in der kurzen Zeit gefunden habe und der sich nicht vom schwächsten Gegner umbringen lassen würde“, erklärte er und zuckte entschuldigend die Schultern. „Es haben sich weniger dazu bereit erklärt, als ich gedacht habe.“
„ Wie viele sind es?“, fragte Gregor.
„ 16, mich mit eingerechnet.“
„ Du hast mich vergessen, Tizian. Wir sind 17. Ich komme natürlich auch mit“, sagte Isak wie aus der Pistole geschossen.
„ Dann machen wir daraus doch 18. Mich mit eingerechnet.“
Melica hörte die Worte, erkannte die Stimme und erklärte sich selbst für geistig debil. „Wie bitte?“, fragte sie verblüfft.
„ Du bist nicht schlau genug, um ohne mich zu überleben. Außerdem langweile ich mich hier“, antwortete Jane achselzuckend.
Melica schnaubte ungläubig. „Und deine Entscheidung hat ganz sicher nichts mit Tizian zu tun?“
„ Das habe ich nie behauptet“, erwiderte Jane und schenkte besagtem Dämon ein strahlendes Lächeln, das in etwa genauso echt aussah wie die Originalhandtaschen, die für fünf Euro auf dem Schwarzmarkt verkauft wurden.
Aus irgendeinem, Melica unerklärlichem Grund wich Tizian sofort einige Meter von Jane zurück und suchte hinter Melicas Stuhl Schutz.
„ Unter anderen Umständen wäre es nicht entscheidend, warum du uns helfen willst“, wandte sich Gregor an Jane. „Es ist die Tatsache, dass du es tun willst, die von existenzieller Bedeutung wäre. Allerdings liegt hier der Fall anders. Melica wird das Antrum nicht verlassen. Wenn du demnach tatsächlich nur als ihr Begleitschutz fungieren willst, müsstest du im Antrum
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