Kein Schlaf für Commissario Luciani
Passierbällen ab. Es endete 6:1, 6:1. Als Marco Luciani das Feld verließ, fing er den Blick des Geometers Casareto auf, eines alten Clubmitglieds, das ihm hin und wieder einen Tipp gab. Luciani schlug die Augen nieder. »Ich weiß, sagen Sie nichts. Das war nur eine Finte. Beim nächsten Mal werde ich ihn schlagen.« Der Mann zog die Augenbrauen hoch, als wollte er sagen: »Na klar!«, dann ging er kopfschüttelnd an die Bar.
Donna Patrizia ließ das Tor aufspringen, dann trat sie aus der Glastür der Küche und kam ihrem Sohn entgegen. Marco Luciani umarmte sie schnell und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
»Wie geht es dir?«
»Gut. Ein bisschen müde. Papa schläft, er hatte eine schlimme Nacht.«
»War denn die Pflegerin nicht da?«
»Doch, aber er wollte mich. Er ist ganz übel mit ihr umgesprungen. Er wurde wütend, weil eine Fremde im Haus ist, und beruhigte sich erst, als ich zu ihm ging.«
»Hast du den Arzt angerufen?«
»Ja, er kommt morgen Vormittag. Kann sein, dass sie ihn ins Hospiz bringen wollen. Sein Zustand verschlimmert sich schneller als gedacht.«
In ihrem Ton schwang Schmerz, aber auch eine gewisse Erleichterung mit. Das Ende kam näher, und das war für alle besser. Warum konnte man nicht einfach Knall auf Fall sterben, anstatt herumzuliegen und zu warten, bis ein Tumor einen langsam auffraß?
Sie gingen Richtung Tür, und die Mutter drückte den Arm ihres Sohnes, sie fixierte ihn mit einem außergewöhnlich harten Blick: »Marco.«
»Ja.«
|313| »Er hat oft nach dir gefragt. Und heute ist vielleicht das letzte Mal, dass du mit ihm sprichst. Sei nett zu ihm. Und wenn er dich um etwas bittet … egal was … sag ihm, dass du es tun wirst.«
Er schüttelte den Kopf.
»Was kostet es dich denn? Es wäre eine Lüge für einen guten Zweck. Damit er beruhigt sterben kann. Er wiederholt immer nur dasselbe: die Villa, das Erbe, der Garten, alles, was er aufgebaut hat … Er hat Angst, dass alles verlorengeht.«
»Hör mal, Papa weiß, wie ich darüber denke. Auch wenn ich jetzt das Gegenteil behaupten würde, er würde es mir nicht abnehmen. Ich würde mich selbst verraten und ihm den Respekt versagen, das wäre wie jemand, der das ganze Leben Atheist war und auf dem Sterbebett nach dem Priester verlangt. Wenn ich Gott wäre, würde ich stinksauer werden und ihn das bis in alle Ewigkeit büßen lassen.«
»Hör zu. Was auch immer dein Vater getan hat, er hat dafür über Gebühr bezahlt, und ihm auf dem Sterbebett ein bisschen Trost zu versagen, bedeutet nicht, dass man Rückgrat oder Respekt zeigt, sondern das ist einfach nur schäbig. Wenn er sterben würde in dem Bewusstsein, dass er recht hatte, dass er dich dazu bewegt hat, das Erbe anzunehmen, was wäre schlecht daran? Er wird glücklich sterben, soweit das menschenmöglich ist. Und um Gott brauchst du dich nicht zu sorgen, Marco, denn an den hast weder du noch er je geglaubt, vergöttert hat er immer nur dich, und was er will, ist Vergebung von dir.«
Er starrte sie an, und während er in den Augen seiner Mutter eine Entschlossenheit und Wildheit las, die er sich nie hätte vorstellen können, spürte er, wie seine feucht wurden. Er senkte schnell den Blick und flüchtete ins Zimmer.
|314| Am Abend hörte er in den Acht-Uhr-Nachrichten das Neueste von der Menschenjagd: Es war vorbei, alles war vorbei. Er rief Nicola an, um ihm zu gratulieren, aber dessen Stimme klang überraschend verhalten. Bevor Luciani aber verstand, was genau passiert war, hörte er, dass der Große Cäsar erwacht war. Er brach schnell das Gespräch ab und tauchte wieder in die stickige Wärme ein, in den Geruch des Todes, der in dem Zimmer hing, das immer das bunteste und heiterste des ganzen Hauses gewesen war. Als Marco ausgezogen war, hatte der Vater alles wegwerfen wollen, Bett, Schrank, Bücher und die Fußball-Trophäen. Aber Donna Patrizia antwortete mit eiserner Miene, sie würde ihn, wenn er auch nur den Versuch unternahm, verlassen. »Du hast mir einen Sohn genommen, du wirst mir nicht auch noch die Erinnerung an ihn nehmen«, war der Satz gewesen, den sie in einem Brief an Marco wiedergegeben hatte. Das Bett war stehen geblieben, und jetzt lag sein Vater darin und starb. Der Stoff des Lebens ist voller Symbole, wenn man sie denn suchen will.
Er stand auf, um das Fenster einen Spaltbreit zu öffnen, das konnte seinem Vater nicht allzu viel ausmachen, konnte ihn höchstens schneller umbringen, was nur ein Segen gewesen wäre. Ein frischer
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