Kein Schlaf für Commissario Luciani
Vizekommissar die Markierungen, die er angebracht hatte. Alles schien in Ordnung. Andererseits hätte es für die Men in Black nicht besser laufen können. Der mutmaßliche Mörder, die Schlüsselfigur in der ganzen Geschichte, war tot; nun konnte ihn keiner mehr nach dem Wie und Warum fragen und in wessen Auftrag er Barbara womöglich getötet hatte.
Er öffnete eine Packung Thunfisch-Bohnen-Salat und verschlang ihn direkt aus der Dose. Diese ganze Geschichte schien ihre Logik zu haben, und im Grunde durfte er nicht allzu viel auf Merli geben. Ein kleiner Ganove. Gut möglich, dass er auf die Art ausgetickt war. Und doch fühlte Giampieri eine innere Unruhe, er dachte wieder an die Anfänge des Falles zurück und wie er sich weiter entwickelt hatte, er dachte an den Besuch der Geheimagenten und kam zu dem Schluss, dass tatsächlich irgendetwas faul war. Von Merli würde er nichts mehr erfahren, aber er hatte noch ein Ass im Ärmel: den Computer. Allerdings war das ein gefährliches Spiel.
|337| Er schaute auf die Uhr. Es war fast zwei.
»Zu müde für gravierende Entscheidungen«, murmelte er und warf sich aufs Bett.
Sein vorletzter Gedanke, ehe er einschlief, galt Marco Luciani. Er hatte sich über dessen Anruf gefreut. Der letzte Gedanke war Stefania gewidmet, in der Hoffnung, dass der Schlaf ihn weiterspinnen würde.
|338| Samstag
Luciani
Er ging mit feuchtem Haar hinaus und spazierte ein Stück durch den Garten. Die Sonne war noch nicht über das Hausdach gestiegen, Marco Luciani fröstelte ein wenig und er versuchte, diese Empfindung festzuhalten, denn in der Luft lag schon der Vorgeschmack auf den nächsten drückend heißen Tag. Er kam an den Rosensträuchern vorbei, an dem jungen Mandelbaum, der noch das fünf Jahre alte Schild mit der botanischen Bezeichnung und dem Datum der Pflanzung trug. Mit der Hand prüfte er die Standfestigkeit der beiden Bäume, an denen die Hängematte verknotet war. Er ging am Rand des verwilderten, von Unkraut überwucherten Gemüsegartens vorbei, sog den Duft der Obstbäume und des großen Feigenkaktus ein und erreichte den Tennisplatz. Den Kunststoffbelag hatte seit Jahren niemand mehr betreten. Das Netz hing auf den Boden, der Belag hatte sich gelöst, der Untergrund war vom Regen aufgeweicht und schmierig. Er hätte Andrea gerne einmal auf Kunststoff herausgefordert, auf einem schnellen Belag, wo er öfter Serve-and-volley spielen und ihm die stärkste Waffe nehmen konnte: seine konstanten Grundlinienschläge. Hier müsste man alles abtragen und neu anlegen, vielleicht mit Kunstrasen, dachte er, während er über die Tartanplatten ging. Wenn der erst einmal verlegt ist, braucht er kaum noch Pflege, aber wer weiß, was das kostet. Und wer weiß, wie viel es kosten würde, den Garten und die zerfallenden Trockenmauern wieder in Ordnung bringen zu lassen. Aber das größte Problem stellte die Außenmauer dar. Sie hatte einen tiefen, ziemlich bedrohlichen Riss. Auf den Tennisplatz |339| konnte seine Mutter verzichten, aber die Sanierung der Mauer durfte nicht auf die lange Bank geschoben werden. Und auch die elektrischen Leitungen mussten erneuert werden. Diese Villa ist ein Fass ohne Boden, wiederholte er sich im Stillen. Man könnte sie nur retten, wenn man die Wohnung des Großvaters verkaufen würde. Vom Erlös könnte man dann Steuern und Renovierungsarbeiten bestreiten und die Villa in einem passablen Zustand halten, solange die Mutter lebte. In der Hoffnung, dass der Erlös überhaupt reichte.
Ich hatte schon angefangen, mich mit dieser Wohnung am Stadtrand anzufreunden, dachte er, wobei er sich auf die Lippe biss, aber besser, ich vergesse das wieder. Wenn ich eine Sache akzeptiere, dann nehme ich am Ende womöglich alles.
»Schläfst du heute Abend wieder hier?«
Donna Patrizia hatte den Blick gesenkt, denn sie schämte sich für diese im Grunde völlig natürliche Frage. Wenn man jahrzehntelang die Nächte gemeinsam mit einem anderen Menschen verbracht hat, löst die plötzliche Leere im Bett, und mehr noch: im Haus, bei den Hinterbliebenen Panik aus. Seine Mutter hatte wohl nicht allzu viele Nächte alleine verbracht, in dieser Villa, die ihren Namen trug, denn in der Zeit, in der sein Vater oft unterwegs gewesen war, war Marco da gewesen, und nachdem er ausgezogen war, hatte der Vater in Camogli sein Exil angetreten und sich kaum noch wegbewegt. Und dann wusste er auch als Polizist, dass es unvorsichtig war, eine alte Frau alleine in einer ziemlich
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