Kein Schlaf für Commissario Luciani
dem Fall Ameri. Vielleicht kannst du mir helfen.«
»Bitte, Herr Kommissar.«
»Erinnerst du dich, dass das Mädchen auf Kreuzfahrt gewesen war … Habt ihr überprüft, wie die bezahlt wurde?«
»Hmm … Das war ein Gewinnspiel, wenn ich nicht irre. Eine Kreuzfahrt für zwei Personen.«
Marco Luciani hatte das in den Akten nicht gelesen. Oder vielleicht erinnerte er sich nicht. Er war enttäuscht, |425| spürte aber, dass er nachhaken, sich auf seinen sechsten Sinn verlassen musste. »Hatte sie die gewonnen oder er?«
»Ich glaube, beide zusammen, sie und dieser Giacomo. Jedenfalls hat er das so angegeben.«
Der Kommissar hatte ihn nie selbst vernommen. »Was ist er für ein Typ? Aufrichtig? Glaubwürdig?«
Calabrò dachte einige Sekunden nach. »Er wirkt nicht wie ein Mörder auf mich. Wie ein Lügner schon eher.«
»Und das Geld, das sie abgehoben hat … hatte das nichts mit der Kreuzfahrt zu tun? Hat sie damit nicht die Extras oder so bezahlt?«
»Nein, wir haben den Jungen danach gefragt, er meinte, sie hätten aufgepasst, dass sie nichts Zusätzliches bestellten.«
Marco Luciani schwieg eine Weile. Er dachte weiter an diese verschwundenen vierhundert Euro. »Erinnerst du dich, was für ein Gewinnspiel das war? Wurde es von einer Agentur organisiert?«
»Warten Sie, ich sehe mal im Computer nach, das müsste alles gespeichert sein … Sagen Sie mir unterdessen: Wie geht es Ihrer Mutter?«
»Ganz gut, danke. In der Nacht schläft sie gut, im Gegensatz zu mir. Natürlich ist sie ein bisschen verstört …«
»Das glaube ich. Aber es heißt, dass Frauen ein solches Trauma eher überwinden als Männer. Zum einen sind sie stärker, zum anderen finden sie einen Halt in ihrem Heim.«
Marco Luciani zögerte einen Moment, ehe er antwortete. War es wirklich richtig, das Haus zu verkaufen, nur weil sein Vater nicht mehr da war? Gut, der Vater hatte das selbst angeregt, aber deswegen musste es nicht die richtige Entscheidung sein. Und wenn damit alles schlimmer würde?
»Das wird eine Weile dauern, Commissario. Sobald ich die Adresse finde, schicke ich Sie ihnen per SMS.«
|426| Er kam pünktlich auf den Platz in Bogliasco. Es war ein schöner Tag, sonnig, aber nicht zu heiß, und ausnahmsweise absolvierte Andrea seine Viertelstunde Dehngymnastik nicht in der Umkleide, sondern im Freien. »Das Leben ist voller Überraschungen«, murmelte der Kommissar. Wer weiß, ob er auch auf dem Platz seine Gewohnheiten geändert hat. Vielleicht würde sein Gegner, zum ersten Mal in zehn Jahren, den Kitzel eines Netzangriffs ausleben. Luciani zog sich um und dachte, dass wir alle Gewohnheitstiere sind, aber manchmal begeben wir uns, völlig unvermittelt, auf neue Pfade. Vielleicht galt dies auch für die bedauernswerte Barbara: Sie hatte sich auf ein unbekanntes Terrain begeben, für das sie nicht gerüstet war.
Als er den Platz betrat, war er entschlossen, spektakuläres Tennis zu zeigen, aber während er ein paar Ballwechsel zum Aufwärmen spielte, merkte er, dass man mit Andreas Bällen nicht spielen konnte, sie waren ausgelutscht. »Nehmen wir neue Bälle?«, schlug er vor, aber Andrea erwiderte: »Machen wir die hier erst mal alle.« Das tat er immer, sei es aus Geiz, sei es aus Berechnung, weil die lahmen Bälle seinem Grundlinienspiel entgegenkamen.
Marco Luciani schüttelte den Kopf. Scheiße, dachte er, wenn ich schon nur einmal die Woche herkomme, dann lasst mich wenigstens ordentliches Tennis spielen. Er holte an der Bar neue Bälle, und der Duft, der aus der Dose aufstieg, berauschte ihn mehr als eine Line Koks. Voller Elan lief er auf dem Platz auf, und seine Schläge kamen auf Anhieb, er bewegte sich locker und dachte weder zu viel noch zu wenig nach. Er konzentrierte sich immer nur auf den jeweiligen Ballwechsel und blieb bis zum Stand von 3: 4 an Andrea dran, dann übertrieb er seine Kabinettstückchen, schlug einen Rückhand-Halbvolley ins Netz, gab sein Spiel und sofort danach den Satz ab. Er spielte weiterhin um des Vergnügens willen, und im zweiten Satz gelangen ihm unglaubliche |427| Punkte, aber Andrea schaffte es mit seiner Betontaktik an der Grundlinie, fast alle Spiele für sich zu entscheiden, wenn auch meist erst über Vorteil. Es stand 1:4 – Spielball zum 1:5 –, als der Kommissar in einen Cross-Passierball, der die Linie poliert hätte, hechtete. Er machte sich hundertsiebenundneunzig Zentimeter lang (plus Arm und fünfzig Zentimeter Schläger), erwischte den Ball und wehrte mit dem
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