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Kein Schlaf für Commissario Luciani

Kein Schlaf für Commissario Luciani

Titel: Kein Schlaf für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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verhindern, dass sie eine Grimasse zog. Hau ab, dachte sie, hau bloß ab.
    »Hör zu. Es war das erste Mal, ein bisschen Verkrampfung ist da normal.« Der Schlafgast nahm Barbaras Hände, schob ihren Kopf ein wenig hoch und gab ihr einen sanften Kuss. »Das nächste Mal werde ich vorsichtiger sein. Versprochen. Und wenn wir auf Kreuzfahrt sind … Das wird phantastisch, wirst sehen!«
    Es wird kein nächstes Mal geben, dachte Barbara. Und wir werden auf keine Kreuzfahrt gehen.

|444| Samstag
    Luciani
    Er gönnte sich eine kleine Ehrenrunde, um die Lösung des Falles zu begehen. Aber es war nicht der erwartete Genuss, denn er war schon ganz auf den letzten Schachzug konzentriert, der noch zu führen war. Wahrscheinlich reine Formsache. Er wusste allerdings, dass man sich nie als Sieger fühlen durfte, ehe nicht die Handschellen zuschnappten.
    Als er nach Hause kam, traf er unten an der Tür die Alte aus dem vierten Stock. Er schaute sie verblüfft an: Es war Monate, wenn nicht ein Jahr her, seit er sie das letzte Mal vor die Tür hatte gehen sehen. Ihr Blick war ebenso verstört, und fast hilfesuchend sagte sie: »Herr Kommissar«. Sie hing am Arm ihres Neffen, eines Hohlkopfs um die vierzig, den Luciani hin und wieder in einer Bar des Viertels gesehen hatte, immer vor dem Pokerautomaten.
    Der Kommissar lächelte sie an, und als spräche er mit einem dreijährigen Kind, sagte er: »Guten Tag, Signora. Wir machen einen kleinen Spaziergang?« Der Mann trug eine Reisetasche, die Szene hätte nicht eindeutiger sein können. Luciani durchbohrte ihn mit seinen Blicken.
    Sie schaute den Neffen an, als suchte sie bei ihm die Antwort, und der Mann brummte etwas wie: »Ja, einen schönen Spaziergang, Tante, ich bringe dich an einen schönen Ort, wirst sehen.« Er wollte sich einen Weg bahnen, aber der Kommissar hatte sich vor der Tür aufgebaut und schien sich so schnell nicht wegrühren zu wollen.
    »Sie können sich glücklich schätzen, dass Sie so einen fürsorglichen Neffen haben«, sagte er, während seine Augen |445| wieder die des Mannes suchten und ihm etwas ganz anderes zu verstehen gaben. »Ich bin sicher, dass Sie sich amüsieren werden. Klingeln Sie heute Abend mal, wenn Sie zurückkommen, und dann erzählen Sie mir alles.«
    Der Neffe hustete. »Könnte sein, dass … wir diese Nacht auswärts schlafen«, flüsterte er. Aber die Tante hatte es gehört.
    »Wie, auswärts? Ich schlafe nicht außer Haus.«
    »Nein, Tante. Keine Sorge. Ich meinte nur, wenn es dir dort gefällt, dann bleiben wir vielleicht länger.«
    Die Alte wollte protestieren, doch der Mann schob sie vorwärts. »Gestatten Sie?«, fragte er den Kommissar, all seinen Mut zusammennehmend.
    Marco Luciani schaute ihn ein paar Sekunden an. Dann trat er, ganz langsam, zur Seite und gab die Tür frei.
    Er hatte eine Riesenlust, diesen Halunken an die Wand zu nageln, der seine alte Tante in irgendein Pflege-KZ abschob, wo man ihre Rente einsackte und sie dahinvegetieren ließ. Aber er war nicht befugt, das zu tun.
    »Ich erwarte Sie heute Abend«, sagte er noch einmal, mehr an ihn gerichtet, weil er hoffte, er könnte ihn damit einschüchtern. Aber er hatte das deutliche Gefühl, dass er nie mehr das
Tock, tock, tock
des Krückstocks durch die Decke hören würde oder das Geräusch der Schubladen, die auf und zu geschoben wurden, um wer weiß welche Schätze zu verbergen.
    Der Neapolitaner war auf dem Treppenabsatz erschienen und hatte einen Großteil der Szene mitbekommen.
    »Das ist auch so ein schöner Judas, Commissario«, sagte er laut, damit der andere ihn auch sicher hörte. »Wie lange wird er brauchen, um das Geld für die Wohnung zu verjubeln? Zwei Jahre? Ein Jahr? Ein halbes?«
    Marco Luciani nickte stumm. In dem Augenblick, als sie ihre Wohnung auf den Neffen überschrieben hatte, war ihr |446| Urteil gefällt gewesen. Die Geschichte war so alt wie ihr Ausgang. Das einfache Gesetz von Ursache und Wirkung. Fast alle Mordfälle waren, im Grunde, nicht anderes.
     
    Er hatte sich entschlossen, alleine zu gehen, ohne Beamte und ohne Waffe. Es handelte sich nicht um einen Kerl, der zu einer Extremreaktion fähig schien. Wie viele Theorien haben wir verfolgt, dachte er, wie viele Denkgebäude kann man auf einem einfachen Mord errichten? Wir suchen krampfhaft nach den unwahrscheinlichsten Erklärungen, aber am Ende stellt man fest, dass die Motive immer dieselben sind: Wut, Frustration, Eifersucht, Geld. Und dass auch die Mörder immer dieselben sind:

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