Kein Schlaf für Commissario Luciani
du im Rätselraten?«
»Eine Katastrophe«, flüsterte sie.
»Ist niemand in deiner Nähe, der dir helfen kann, Barbara?«, munterte die Sprecherin sie auf.
Barbara zögerte einen Moment, und beim Kommissar schrillte eine kleine Alarmglocke. Wahrscheinlich war da jemand, aber sie wollte es nicht sagen. Vielleicht hatte sie Angst, die Eltern oder der Onkel könnten zuhören.
»Ähm … hier ist … eine Freundin.«
»Gut, dann soll sie dir helfen. Gut aufgepasst: ›Damit es runtergeht, muss sie rauf.‹.«
Marco Luciani verzog das Gesicht, er hatte keinen blassen Schimmer.
Auch Barbara schwieg.
»Verfolg ihn, Iannece, ohne dass er dich bemerkt.«
Der Beamte startete den Wagen und sah Calabrò selbstgefällig an. »Ich bin ein Observierungsass, Inspektor. Man nennt mich auch den Schattenmann.«
»Selbst ein Schatten ist zu viel, Iannece, wir müssen den unsichtbaren Mann spielen.«
»Dazu müsste ich euch aber die Augen verbinden, Inspektor.«
Venuti knackte mit den Fingerknöcheln. »Gleich werden wir eher ihn verbinden müssen.«
Marco Luciani stellte die Lauscher auf. Er hörte, wie am anderen Ende der Leitung getuschelt wurde, dann die Antwort: »Die Falltür.«
Plötzlich jaulten Jingles, Sirenen und Glocken auf: »Die Antwort ist richtig! Du hast eine Kreuzfahrt gewonnen!«
|436| Er ging noch einmal zur Sekretärin und bat sie, an einer bestimmten Stelle die Lautstärke voll aufzudrehen. Und zwar da, wo Barbara ihre »Freundin« um Rat fragte.
Er ließ es sich immer wieder vorspielen, bis er die Stimme im Hintergrund erkannte.
Und endlich hatte er verstanden.
»Das scheint mir nicht den Vorschriften zu entsprechen.«
»Wir wollen uns nur ein bisschen unterhalten. Nichts Offizielles. Ich garantiere dir, das ist auch für dich das Beste.«
»Und wenn ich mich weigere mitzukommen?«
Vitone schlug das Revers zurück und zeigte seinen Pistolengurt.
»Du hast die Wahl.«
Davide Risi sah sich um. Niemand beobachtete, was sich abspielte. Im Grunde sind sie Polizisten wie ich, dachte er. Es sind Kollegen. Er verzog das Gesicht und stieg wieder in seinen Wagen, auf die Rückbank, wo ihn Venuti und Vitone einkeilten. Calabrò startete und fuhr Richtung Autobahn, Iannece und Failla folgten mit ihrem Wagen.
»Hier sind wir, Commissario. Kommen Sie rein.«
Marco Luciani sah Calabrò auf der Schwelle des Bauernhauses stehen: in Hemdsärmeln, verschwitzt und aufgebracht, die Halsschlagadern geschwollen. Luciani ging an ihm vorbei in einen Raum, der von zwei Wandlampen schwach beleuchtet war. Auf einem Stuhl saß ein Mann in Handschellen, sein Kopf hing auf die Brust. Er schien ohnmächtig zu sein, aber als er die Schritte hörte, hob er sein geschwollenes, blutverschmiertes Gesicht. Der Kommissar schaute sich um, das Gebäude schien seit Jahren verlassen. Wahrscheinlich diente es nur noch als Wetterschutzhütte für Jäger. Im Zimmer waren Kommissar Venuti, |437| Inspektor Calabrò und Iannece, alle drei hatten die irre Miene eines Tieres, das Blut gewittert hat. Auch wenn es in dem Raum vor allem nach Urin und Schweiß stank. Auf der Hose des Mannes war ein dunkler Fleck zu sehen: Er hatte sich bepisst.
»Was spielt sich denn hier ab? Sogar du, Iannece …«, sagte er leise, ungläubig. Er war schon kurz davor, in einen seiner seltenen, aber gefürchteten Wutanfälle auszubrechen, als Calabrò fauchte: »Er hat Nicola den Stoff gegeben. Er hat es eben gestanden.«
Marco Luciani schwankte einen Augenblick zwischen Hass und Mitleid. Dieser von seinen Kollegen misshandelte Mann stand in offenem Widerspruch zu allem, woran er glaubte. Andererseits: Wenn stimmte, was sie sagten, wenn er in irgendeiner Form Nicolas Tod mit verschuldet hatte, dann würde er nicht mit einer einfachen Tracht Prügel davonkommen. »Das war kein allzu freiwilliges Geständnis, würde ich sagen.«
»Vor allem überflüssig. Auf den Videokassetten, in denen Nicola die Drogen bekam, sind seine Fingerabdrücke. Die Kellnerin aus dem Lokal, wo sie jeden Samstag gemeinsam aßen, hat ihn wiedererkannt, und sie konnte sich auch an die Videokassetten erinnern.«
In diesem Moment erkannte der Kommissar Davide Risi. Er wusste noch genau, wie dieser sich bei der Sitte in die Scheiße geritten hatte, weil er sich von den Zuhältern hatte schmieren lassen. Wenn man so einen zum Drogendezernat versetzte, konnte man auch gleich einen pädophilen Priester in ein Waisenhaus stecken.
»Kommissar Luciani. Helfen Sie mir«,
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