Kein Schlaf für Commissario Luciani
ich. Du wirkst anständig, als ob man dir vertrauen könnte. Auch wenn du mir nicht die Wahrheit gesagt hast. Wenn du sonst noch etwas vor mir verheimlichst, dann sag es lieber gleich«, scherzte sie.
Er war in das Mienenfeld vorgedrungen, das die Panzerkammer schützte, aber inzwischen hatte er die Lageskizze |171| in der Tasche, um auch das zu überwinden. Zuverlässig, aber für Überraschungen gut. Macho, aber im Bedarfsfall mit Blumenstrauß. Er spürte, dass ihr diese Mischung zu Kopf stieg wie ihm die beiden Negroni.
»Tut mir leid wegen des Konzerts. Ich nehme an, inzwischen hast du für heute Abend …«
Sie zögerte. »Ja, ich habe schon was vor. Ein andermal. Wirklich.«
Er atmete auf. An die Einladung hatte er nur erinnert, damit sie ablehnen konnte. Er hatte nämlich nicht die geringste Absicht, auf seinen Samstagabend zu verzichten, sondern wollte nur ein wenig verlorenen Boden gutmachen, und diese Mission konnte als erfüllt betrachtet werden.
Er bat sie um ihre Handynummer, und sie gab sie ihm ohne Umschweife. »Ich rufe dich an, sobald ich Zeit habe. Vielleicht weiß ich das erst im letzten Moment.«
»Kein Problem.« Das war die bedingungslose Kapitulation. »Versuch es einfach, und ich sehe zu, dass ich mich freimachen kann.«
Als er nach Hause kam, war er todmüde, aber glücklich. Monicas Sommersprossen, Stefanias Busen, Amalias strammer Hintern. Das Leben ist schön, wenn es sich erhaschen lässt, aber klar, du musst die Arme ausstrecken, musst es an dich reißen und festhalten. Auch der Mörder war da, irgendwo, auch ihn galt es zu greifen, und mit ihm würde die Beförderung zum Kommissar kommen. Nur eines quälte Giampieri noch, ein heftiger Spannungskopfschmerz, der sich im Nacken konzentrierte, Übelkeit und Schmerzen hervorrief, die den ganzen Rücken durchpulsten. Aber er wusste, dass die Schmerzen bald verschwinden würden. Er zog sich aus, behielt nur Boxer-Shorts und T-Shirt an, schaltete Telefon und Handy ab, machte die Stereoanlage an und |172| legte eine CD von Pink Floyd auf. Dann setzte er sich aufs Bett und holte die Batman-Kassette aus der Hülle. Mit einem Schraubenzieher hebelte er eine der beiden Plastikwände auf. Es war alles da, wie immer. Er steckte die Kassette wieder in die Hülle, schob sie neben die anderen ins Regal und zählte noch einmal seine sündige Sammlung durch – das war Nummer sechsundvierzig –, um die Vorfreude zu verlängern.
Vor fast einem Jahr hatte er angefangen. Marco Luciani war mitten in einem schwierigen Fall erkrankt und hatte den ganzen Druck der Ermittlungen auf ihn abgeladen. Giampieri hatte versucht, die Belastung mit einem Medikament in den Griff zu kriegen, aber das hatte nicht geklappt: Bei normaler Dosierung war es zu schwach, aber wenn er die Dosis erhöhte, schlief er einen unnatürlichen Schlaf und war den ganzen nächsten Tag wie belämmert. Er hatte an Marihuana gedacht, was er hin und wieder rauchte, aber um sich wirklich zu beruhigen, hätte er am Tag vier oder fünf Tüten rauchen müssen, und das war einfach nicht möglich.
Er holte eine halbe Zitrone und einen Esslöffel aus der Küche, kehrte ins Schlafzimmer zurück, schob sein Kissen zurecht, öffnete das Tütchen, gab destilliertes Wasser und das weiße Pulver auf den Löffel, spritzte ein bisschen Zitronensaft darüber und erhitzte das Ganze mit dem Feuerzeug. Dann hielt er den Löffel mit der Linken, nahm mit der Rechten die Insulinspritze und sog die Flüssigkeit auf.
Ein Schuss pro Woche, das ist wie bei einem Engländer, der freitagabends in den Pub geht, um sich zu betrinken, oder wie bei den wohlanständigen Leuten, die am Samstag zu einer Nutte gehen oder sonntags zum Pferderennen. Ein Mann hat das Recht, sich einmal die Woche einem Laster hinzugeben, wenn er damit niemandem auf die Zehen tritt. Und dann stimmt es nicht, dass die Droge so gefährlich |173| ist, wenn du es bist, der sie benutzt, und nicht umgekehrt. Klar, die Welt wird immer voll von Hirnies sein, die sich jeden Tag die Spritze setzen wollen, die sich jeden Abend betrinken oder ihr Gehalt mit Pferdewetten und albanischen Nutten durchbringen. Sein Fall lag anders, und das würde so bleiben.
Morgen werde ich vielleicht Bescheid wissen. Morgen werde ich sehen, ob Mantero tatsächlich etwas verheimlicht. Aber das war nicht der Augenblick, um an den Broker zu denken. Er atmete tief ein, blies die Außenwelt weg und konzentrierte sich wieder ganz auf sich selbst. Er hatte keine Mühe, seine
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