Kein Schlaf für Commissario Luciani
sie sich praktisch mit keinem mehr ein, nur mit diesem Jacky, vielleicht weil sie spürte, dass er keine Gefahr darstellte.«
Giampieri massierte seinen Kinnbart. »Und die mysteriöse Freundin? Die das Foto geschossen hat?«
Stefania Boemi hob die Arme, band sich mit einem Haargummi einen Pferdeschwanz und zeigte ihre perfekt depilierten Achselhöhlen. Nach einem Handbuch, das Giampieri gerade las, war dies ein untrügliches Zeichen für Verführung: das Weibchen, das dem Männchen seine Locksignale schickt, Pheromone, die seine Libido anstacheln sollen. Der Ingenieur musste zugeben, dass das immer noch funktionierte, heute wie vor einigen Tausend Jahren.
»Ähm … in Wirklichkeit gibt es keine mysteriöse Freundin. Das Foto hat der Besitzer des Lokals gemacht.«
»Ach. Und sie sind nicht wieder hingegangen?«
»Tiziana nicht, bei den anderen weiß sie es nicht, aber sie sagt, das sei sehr unwahrscheinlich, das war kein Lokal für sie.«
»Ich würde sagen, wir sind wieder bei Null.«
Boemi machte einen Schmollmund. Zu diesem Thema äußerte sich das Handbuch nicht, aber wenn eine Frau ihre Lippen so auf einen Mann richtete, dann musste das wohl etwas bedeuten.
|169| »Du hast jedenfalls gute Arbeit geleistet«, sagte Giampieri, um sie aufzumuntern. »Mir scheint, du hast diese Tiziana dazu gebracht, sich zu öffnen. Warum machst du nicht weiter und befragst auch die beiden anderen? Vielleicht erinnern sie sich an etwas.«
Sie lächelte und sprang auf: »Zu Befehl, Chef.«
Er fragte sich lange, ob und wie er Venuti über die Neuigkeiten informieren sollte. Wenn er ihm nicht sagte, dass er Mantero abhören würde, war das unfair, wenn er aber sagte, wie er das bewerkstelligt hatte, riskierte er den Job. Und nicht nur er, sondern auch Iannece, Vitone und Calabrò. Er musste anerkennen, dass gerade Calabrò sich, trotz ihrer Meinungsverschiedenheiten, loyal verhielt. Der Inspektor war jemand, auf den man sich immer verlassen konnte, der die Arbeit über persönliche Sympathie oder Antipathie stellte. Er nahm sich erneut vor, für ein besseres Verhältnis zu ihm zu sorgen. Was Venuti anging, so würde er sich das bis zum nächsten Tag überlegen, in der Hoffnung, dass das Handy ein Geheimnis enthüllte.
Den Rest des Tages brachte er mit Aktenstudium und Arbeit an der Software zu, er verfeinerte die Suche nach dem Täter mit immer neuen Parametern und trug die jüngsten Erkenntnisse in seinen Übersichtsplan des Mietshauses ein. Die Turones färbte er von Rot auf Grün um. Mantero war der Einzige im ganzen Gebäude, der noch rot war. Giampieri fragte sich zig Mal, ob er die Serra anrufen sollte, aber er wollte das Verhältnis zur Staatsanwältin nicht noch weiter komplizieren, außerdem hatte er an diesem Abend einen Termin, auf den er für keine Frau der Welt verzichten würde. Da fiel ihm Amalia ein.
Es war sieben Uhr fünfunddreißig, als er vor dem Schönheitssalon eintraf. Sie hatten noch nicht geschlossen, aber |170| der Rollladen war zu einem Drittel herabgelassen. Die Schönheitspflegerin plauderte mit ihrer Chefin, und als sie ihn vor der Tür sah, hellte sich ihr Blick einen Moment lang auf, ehe sie eine düstere, beleidigte Miene aufsetzte. Giampieri holte hinter seinem Rücken einen Strauß Wiesenblumen hervor und schaute schuldbewusst drein.
Er erzählte ihr alles an einem Bistro-Tisch, während sie an einem alkoholfreien Fruchtcocktail nippte und er zwei Negroni und sämtliches Knabbergebäck in Reichweite verputzte. »Siehst du? Heute bin ich wieder nicht zum Essen gekommen. Und solange ich den Mörder nicht erwische, werde ich kein annähernd normales Leben führen können. Ich hätte es dir eigentlich schon früher sagen wollen, aber die Mädchen erschrecken dann oft, wollen mit uns nichts zu tun haben, und dann …«
»Ein Polizist«, seufzte sie. »Das hätte ich nie gedacht.«
»Ist das ein Kompliment?«
»Nun ja … weiß nicht. Ich hab nichts gegen Polizisten, na ja, ein bisschen vielleicht schon, sie schüchtern mich ein wenig ein, und ich habe mal ein richtiges Arschloch kennengelernt. Weißt du, einer von diesen Überdrehten, die sich für weiß der Himmel wen halten, weil sie Dienstmarke und Pistole haben.«
»Ich trage sie fast nie bei mir. Ich bin Ingenieur, mir fehlt praktisch nur noch die Diplomarbeit. Ich arbeite mit Köpfchen, am Computer, und ich habe nie jemanden umgebracht. Ich habe noch nicht einmal jemanden geschlagen.«
Amalia lächelte. »Genau das meine
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