Kein Sex ist auch keine Loesung
den
Genuss kommen soll.
|245| «Uooops, da ist er ja. So, mal sehen …»
Mir reißt der Geduldsfaden. Ich schnappe mir den Zettel und verschwinde in mein Büro, ohne noch einen weiteren Blick in Klaus’
beleidigtes Gesicht zu verschwenden.
Elisa kann heute Abend nicht, trifft sich mit Lilo wegen
Wohnung. Will Essen auf morgen verschieben.
Wie bitte? Elisa sagt ab? Wegen der blöden Wohnung und der vermutlich noch blöderen Lilo? Und was, wenn ich morgen nun schon
etwas vorhätte? Oder bereits einen Tisch reserviert und ein Abschiedsgeschenk gekauft hätte? Eine Band bestellt oder gar Theaterkarten
besorgt hätte? Hm?
Okay, ich übertreibe. Vielleicht sollte ich lieber froh sein, dass es so gekommen ist, jetzt liegt der Schwarze Peter nämlich
bei ihr, und sie muss morgen besonders nett zu mir sein. Hmm … mmm …
Ein kurzer Blick auf die Uhr, und ich beschließe, hier zu verschwinden, bevor die Katastrophe ein noch größeres Ausmaß nimmt.
Außerdem schaffe ich es so, vor dem wohl unausweichlichen Termin mit Lydia noch schnell nach Hause zu fahren, um mich umzuziehen.
Das
Side
ist ein sehr modernes, stylisches Hotel in der Hamburger Innenstadt, und es ist genau fünf nach acht, als ich das Parkhaus
ansteuere. Normalerweise fahre ich abends nicht gern mit dem Auto, da man meist – neben einer saftigen Parkhausgebühr – am
nächsten Morgen zu Hause auch noch ein Ticket wegen Falschparkens kassiert. Nach Mitternacht gibt es nämlich definitiv keine
legalen |246| Parkplätze mehr in Eimsbüttel. Doch jetzt habe ich erst mal andere Sorgen.
Ich bin ein bisschen spät dran, und um Lydia nicht gleich auf hundertachtzig zu bringen, kaufe ich bei einem dieser umherirrenden
Blumenverkäufer mal wieder eine Rose. Sozusagen als Grund für meine Verspätung. Mittlerweile dürfte die Rosenmafia dank meiner
Investitionen schon ein riesiges Imperium errichtet haben.
Die Bar im Foyer ist ein beliebter Treffpunkt für alle Szenefreaks. Das Motto hier: Sehen und gesehen werden. Die Einrichtung
wird von hellem Stein und dunklem Holz dominiert. Etwa so, wie man sich neuerdings die japanischen Haushalte vorstellt, seit
Feng-Shui und Ginseng mit dem Vorurteil aufgeräumt haben, dass die freundlichen Asiaten in Cola-Automaten hausen würden, und
das auch noch zu mehreren in einem Fach.
Manche Leute finden es hier zu puristisch, aber ich mag es genau so. Kein Zimmerspringbrunnen, keine Bindfadengardine und
kein Piranhabecken erschweren den zuvor meist mühsam erkämpften Blickkontakt mit dem anderen Geschlecht.
Mittwochs legt in der Bar ein DJ den neuesten Soul auf – zwar nicht gerade meine Musik, aber soulhörende Frauen sind nun mal
meine bevorzugte Beute.
Auch heute Abend nippen hier haufenweise Hotelgäste und einheimische Nachtschwärmer an Cocktails mit so vielversprechenden
Namen wie «Nippon Express» oder «Tokio Sunrise». Es ist ganz schön was los, als ich eintreffe, trotzdem sehe ich sie sofort.
Nicht Lydia.
Nein.
|247| Elisa.
Sie sitzt seitlich von mir auf einem Barhocker und sieht in ihrem Kleid aus wie Suzy Wong höchstpersönlich. (Und die sieht
bestimmt sehr gut aus.) Sie unterhält sich angeregt mit einem langhaarigen Typen, der auch nach längerem Hinsehen dummerweise
nicht wie eine Frau aussieht, die auf den Namen Lilo hört, sondern eher wie Johnny Depp. Lange Haare hin oder her.
In meinem Körper findet eine chemische Reaktion statt, ähnlich der, die vor fast zwanzig Jahren meinen Chemiebaukasten zur
Explosion gebracht hat. Damals fackelte in Minutenschnelle mein Etagenbett ab. Na ja, jedenfalls die obere Hälfte, in der
meine Schwester schlief, die aber zum Glück gerade auf dem Klo war.
Dieser chemische Super-Gau verhilft mir in gefühlten zwei Sekunden zu folgenden schwerwiegenden Erkenntnissen:
Ich bin eifersüchtig. Nicht dass dieser Typ mir in irgendeiner Form das Wasser reichen könnte – mitnichten! Aber in der Zeit,
die Frauen nun mal brauchen, um dies festzustellen, könnte es vielleicht schon zu spät sein.
Ich will nicht, dass Elisa auszieht. Schon gar nicht zu Lilo, wer auch immer das ist.
Ich will außerdem nicht, dass Elisa jemals in ihrem Leben wieder mit einem anderen Mann schläft. Dieser Körper ist für mich
bestimmt, für niemand anderen. Nie wieder!
Ich muss den Tatsachen ins Auge sehen. Vermutlich hat sie mich tatsächlich nur ausgenutzt, als einen Freund in der Not und
als Mittel zum Sex.
|248| So
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