Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
könnte, dass wir Kollegen sind. Ich nehme es quasi als Zeichen.«
Gesa stöhnte dumpf auf und wollte gerade etwas sagen, als Jurek zurück in die Küche kam.
»Die Ersten sind schon da. Soll ich noch was reintragen? Oh, hallo, Gisbert, ist was passiert? Dass die Presse bei uns einfällt?«
»Der Herr Hausmeister. Tag. Heute Küchendienst?«
»Auch.« Jurek blinzelte ihn an. »Als Hausmeister bist du überall. Und was machst du jetzt hier?«
»Ich bin ein alter Freund von Christine und …«
»Na, na«, Ines kam zurück und lief zum Herd, »da wollen wir doch nicht übertreiben, oder? Gisbert von Meyer will … ach, du Schande.«
»Was ist?« Alarmiert sahen Gesa und ich hoch.
Ines rührte hilflos mit einem Kochlöffel im Wursttopf herum. »Alle geplatzt. Wirklich alle. Guckt euch das an, nicht eine
einzige blöde Wurst ist heil!«
Sehr viel später saßen wir an der Bar, hinter der sich ein hemmungslos kichernder Pierre fast wegwarf bei der Vorstellung
von dreißig geplatzten, aufgequollenen Weißwürsten. Ich konnte seinen Heiterkeitsausbruch nur begrenzt nachvollziehen. Mein
Blick blieb an dem fidelen Damensextett aus Herne hängen, das in der Ecke an einem runden Tisch saß, vor sich einen Sektkühler.
Mittlerweile hatten die Damen gemeinschaftlich das fünfte Schälchen mit Erdnüssen geleert. Sie waren wirklich nett, hatten
kaum Theater ob des misslungenen Buffets gemacht, im Gegensatz zu Frau Stehler und Gregor Morell, so hieß ihr Fastsohn wirklich.
Diese hatte sich so sehr aufgeregt, dass auch ein großer Teil der anderen Gäste ungehalten wurde. Wir hatten etwas zu wenig
Krautsalat gekauft, dafür war es der teure gewesen, mit Speck, aber Frau Stehler war Vegetarierin. Natürlich war es falsch
gewesen, diegeplatzten Würstchen hinzustellen. Aber was sollten wir machen? Der Leberkäse war innen noch gefroren, Ines hatte sich vertan,
weil sie die Backzeit mit dem Haltbarkeitsdatum verwechselt hatte. Das konnte ja passieren. Jedenfalls vermochten auch die
niedlichen Serviettenboote das Unternehmen nicht mehr zu retten. Ich hatte mich bei den Gästen entschuldigt und gelobt, dass
so etwas nie wieder passieren würde. Richtig viel genützt hatte es nicht, die Stimmung der Gäste beim Verlassen des Gastraumes
war denkbar schlecht. Der Kommentar meiner Schwester konnte mir nun auch nicht weiterhelfen.
»Da müssen wir uns morgen aber anstrengen. Das heute Abend war wohl nichts.«
So viel wusste ich selbst. Ich winkte Jurek näher.
»Sag mal, kannst du nur Servietten falten? Oder hat deine Oma dir auch Kochen beigebracht?«
Er sah mich unsicher an. »Ich weiß nicht … Eigentlich nicht.«
Ich musterte ihn nachdenklich. Er war ja ganz sympathisch, aber auch ein bisschen schwer von Begriff. Schade. So würde er
bei Gesa nicht punkten.
Pierres Schultern bebten immer noch. Ich fand es mittlerweile überhaupt nicht mehr komisch, dass er sich so über unsere Situation
amüsierte. Wir hatten hier ein ernsthaftes Problem.
»Pierre!«, meine Stimme war scharf. Ines guckte zuerst mich und dann den albernen Barkeeper an und fing an zu lachen.
»Ja … ha…aa.«
»Reiß dich mal zusammen, wir müssen uns was überlegen. Ines, du auch!«
Jetzt wimmerten die beiden nur noch vor sich hin, auch Gesas Mundwinkel zuckten schon verdächtig.
»Also gut, ich werde Adelheid bitten, uns beim Kochen zu helfen. Anders geht es nicht.«
»Das macht sie nicht.« Ines wischte sich die Lachtränen aus den Augen und trank einen Schluck. »Ich habe sie gefragt. Sie
hat keine Lust zu kochen, hat sie gesagt. So was hätten wir uns vorher überlegen müssen. Und abends arbeitet sie sowieso nicht
mehr. Das hätte sie ja gar nicht nötig. Anderer Vorschlag!«
Verzweifelt sah ich meine Schwester an. Dann Gesa. Dann Jurek. Inzwischen hatte sich auch Pierre beruhigt und anscheinend
begriffen, dass die Lage nicht nur komisch war.
»Ihr könnt echt nicht kochen?«, fragte er verblüfft, »beide nicht?«
»Nein.« Ines und ich antworteten im Chor.
»Und dann macht ihr so einen Jobtausch? Nur weil Christine einen Artikel schreiben möchte? Und ihr könnt beide echt nicht
kochen?«
Pierre begriff es kaum. Ich eigentlich ebenso wenig. Aber wir konnten es ihm auch nicht erklären. Die Wahrheit war schließlich
viel schlimmer.
»Tja«, sagte er langsam und sah sich in der Bar um, »dann müssen wir einen Koch einstellen. Ganz schnell. Und morgen bestellen
wir irgendwo das Essen.
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