Keine E-Mail fuer Dich
das zu ändern. Hatte man zuvor online meist mit Maschinen zu tun gehabt, so waren es nun immer öfter Menschen, das Netz wurde »sozial«.
Menschen interessieren sich nicht für Maschinen, Menschen interessieren sich für Menschen. Als Rupert Murdoch das Kontaktportal MySpace kaufte, war klar: Die sozialen Netze sind da. Mark Zuckerberg bekam zu dieser Zeit gerade von einer kanadischen Wohltätigkeitsorganisation für 200 000 Dollar die Internetadresse www.facebook.com.
In der digitalen Welt können sich die Dinge schnell ändern. Die Sterne von MySpace und auch studi VZ sind wieder gesunken, dafür werden bald eine Milliarde Menschen weltweit an Facebook teilnehmen. Im Juli 2007 waren gerade mal 30 Millionen Nutzer dort angemeldet, jetzt, im Jahr 2012 , sind es über 900 Millionen. Das weltgrößte soziale Netz verändert die Art, wie wir miteinander umgehen, wie Nachrichten und Wissen verbreitet werden. Man liest nun nicht mehr nur Zeitung, sondern steht auf Facebook mit Menschen in Kontakt. Aus der Summe von Empfehlungen entsteht ein neues Geflecht aus Nachrichten und Unterhaltung, das mit den Rubriken einer Zeitung oder dem Fernsehprogramm nur noch wenig zu tun hat.
Es ist eine Art neue Zeitung, die nun auch Musik und Filme enthalten kann. Facebook nur als Umschlagplatz für Nachrichten oder Urlaubsfotos zu betrachten, greift aber zu kurz. Soziale Netze sind nicht einfach nur weitere Kanäle der Neuen Medien. Im Netz sind Medien nicht mehr nur Dinge, die wir konsumieren, sondern wir leben heute in unseren Medien.
Facebook ist ein großer Umschlagplatz für digitales Material geworden, und es stellt Grundrechte wie das auf Privatsphäre infrage. Im Januar 2010 erklärte Mark Zuckerberg das Zeitalter der Privatsphäre schlicht für beendet: »Wir haben entschieden, dass das nun die sozialen Normen sind, und haben entsprechend gehandelt.«
Zuckerberg hat innerhalb von acht Jahren Millionen Menschen dazu gebracht, virtuell »einander nahe zu sein«, »Gefällt mir« zu klicken und sich das Wertvollste zu nehmen: ihre Zeit. Über 10 Milliarden Stunden verbringt die weltweite Internetgemeinde pro Monat auf Facebook. Selbst der Papst hat dort eine eigene Seite. Im Januar 2011 gab er seinen Segen und erklärte soziale Netze zu Orten, die Christen »großartige Möglichkeiten des Verbindens« geben. Er warnte aber auch, dass sie nicht an die Stelle direkter menschlicher Begegnungen treten sollten.
Es wird einem auf Facebook so einfach wie noch nie gemacht, Kontakte zu knüpfen. Und wenn man jemanden nicht mehr als Freund haben möchte, entledigt man sich seiner mit zwei Klicks. Was manchmal übersehen wird, ist, dass nicht nur neue Potenziale des Austauschs und der Verständigung entstehen, sondern auch neue Formen sozialen Versagens, vom Mobbing bis hin zu anonymen Nervensägen, die ständig online sind, posten und es immer wieder schaffen, Streit zu provozieren.
Facebook ist wie eine große Wohngemeinschaft, und »seine Freunde« hat man nun im Smartphone in der Tasche immer mit dabei. Falls Facebook damit aufhört, den Nutzern ständig ungefragt neue Privatsphäre-Einstellungen unterzuschieben, wird der Erfolg sicher noch eine Weile anhalten. Die Basis für eine loyale Nutzerschaft aber ist nicht unbedingt gegeben. Netznutzer sind treulose Tomaten, viele langweilen sich auch schnell, könnten Facebook bald überdrüssig werden.
Wir sammeln bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken Kontakte wie Briefmarken, gehen aber keine wirklichen Beziehungen mehr ein. Bei den meisten Klienten in meiner Praxis stelle ich fest, dass sie gar keine oder zu wenig »echte« (nicht virtuelle) Freunde haben. Doch gute Freunde sind lebenswichtig! Wenn ich frage, bei wem sie nachts anrufen können, wenn es ihnen schlecht geht, oder wo sie einfach klingeln und ohne Anmeldung vor der Tür stehen können, kommen den meisten nur ein oder zwei Familienmitglieder in den Sinn.
Die meisten Menschen haben ihre realen Freundschaften vernachlässigt und tun sich schwer, diese wieder zu neuem Leben zu erwecken oder zu verbessern. Auch bemerken sie, dass sie sich auf neue Menschen nur begrenzt einlassen können. Neue »echte« Freunde laufen einem nicht einfach so über den Weg. Doch die Zeit, die nötig wäre, um eine Freundschaft aufzubauen und zu pflegen, wollen und können viele nicht mehr investieren. Beruf, Partner, Kinder und Alltag müssen schließlich erst einmal bewältigt sein. Erst dann sind offenbar viele Menschen bereit, sich
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